3. Verwenden der beiden Bildschirme

Iwata:

Ich möchte Ihnen nun ein paar Fragen zu unserem wichtigsten Thema heute stellen: „ZombiU“. Wer kann am besten erläutern, wie alles anfing?

Gabrielle:

Ich glaube, wir können alle etwas aus einem anderen Blickwinkel beitragen. Wer macht den Anfang? (lacht)

Xavier:

Okay, ich fange an. Mit der Entwicklung haben wir begonnen, sobald wir die neue Wii U-Technologie vor uns hatten. Am Anfang sah „ZombiU“ jedoch ganz anders aus als heute …

Iwata:

Meinen Sie „Killer Freaks“24? 24 Killer Freaks: Bezieht sich auf den Ego-Shooter „Killer Freaks From Outer Space“, der 2011 auf der E3 von Ubisoft angekündigt wurde und in dem die Spieler gegen böswillige Außerirdische kämpfen mussten.

Xavier:

Sie haben von „Killer Freaks“ gehört? (lacht) Darauf möchte ich später noch ausführlicher eingehen!

Iwata:

Sehr gerne. (lacht)

Xavier:

Den Anfang haben jede Menge Prototypen und Untersuchungen gemacht. Wir wollten verstehen, was Nintendo mit der Wii U erreichen wollte. Zu Beginn gab es immer noch Änderungen beim Aufbau der Hardware, und die Entwicklungsgeräte waren längst nicht ausgereift, also mussten wir alles selbst herausfinden.

Iwata:

Ah, ja.

Xavier:

Wir hatten also eine Vielzahl von Prototypen und beschlossen recht früh, dass wir mithilfe des GamePads der Wii U einen neuen Ego-Shooter für eingefleischte Spielefans entwickeln würden. Wir dachten, dass der Bildschirm und das Gyroskop25 des GamePads der Wii U den Spielern in einem Ego-Shooter neue Spielmöglichkeiten geben könnten. Die Tatsache, dass der Spieler zudem einen zweiten Bildschirm zur Verfügung hat, den die anderen Spieler nicht sehen können, gab uns einen neuen Ansatz für Mehrspieler-Spiele, besonders für das asymmetrische Gameplay. Daraus entstand das Spiel „Killer Freaks“, das wir 2011 auf der E326 vorgestellt haben. Die Gegner in diesem Spiel waren merkwürdige Wesen, die auf den Rabbids27 basierten …25 Gyroskop: Ein Sensor, mit dem man den Neigungswinkel und die Drehgeschwindigkeit messen kann.26. E3: Kurzform für „Electronic Entertainment Expo“, eine Videospielmesse, die jedes Jahr in Los Angeles stattfindet.27 Rabbids: Putzige kaninchenartige Wesen, die von Ubisoft entworfen wurden. Ihren ersten Auftritt hatten sie im Spiel „Rayman Raving Rabbids“.

Iwata:

Es war also ein experimenteller Ansatz, bei dem Sie die Rabbids für Hardcore-Spieler umgestaltet haben?

Xavier:

Genau. Zu dem Zeitpunkt hatten wir noch nicht entschieden, ob die Charaktere überhaupt zum Einsatz kämen, doch wir wollten die Leute mit diesen merkwürdigen Rabbid-ähnlichen Kreaturen überraschen.

Guillaume:

Bei uns im Team haben wir gewitzelt, dass wir genau wussten, dass die Rabbids und ihre merkwürdigen Laute einigen Leuten gehörig auf den Wecker gehen. Daher kam die Idee, den Spielern die Möglichkeit zu geben, wild auf die Rabbids loszuballern.

Iwata Asks
Iwata:

Das ist mir neu! (lacht)

Guillaume:

In diesem Prototyp konnten die Leute fröhlich Rabbids abknallen und dadurch Stress abbauen!

Alle:

(lachen)

Xavier:

Besonders interessant war, dass je mehr Prototypen wir für das GamePad der Wii U erstellt haben, umso deutlicher wurde es, dass es bei dem Spiel nicht um Geschwindigkeit gehen müsste.

Iwata:

Mein Eindruck von einem Ego-Shooter ist, dass man seinen Blick keine Sekunde vom Bildschirm nehmen darf. Doch als Sie einen Spielstil erschufen, der das GamePad der Wii U verwendet, war das nicht mehr der Fall, oder?

Xavier:

Stimmt. Wir haben ein Spiel geschaffen, dessen Schwerpunkt nicht auf der Geschwindigkeit beruht, das aber genau so spannend ist. Bereits in „King Kong“28 hatten wir Erfahrungen damit gesammelt, Überlebensaspekte in die Handlung einzubauen anstatt ein reines Actionspiel zu schaffen. Daher wusste das Team, welchen Reiz ein solches Spiels haben kann.28 King Kong: Ein Actionspiel, bei dem es ums Überleben geht. Das Spiel basiert auf dem gleichnamigen Film von Peter Jackson, dem Regisseur von Filmen wie „Der Herr der Ringe“. Die Version für Nintendo DS kam in Europa im November 2005 auf den Markt.

Iwata:

„King Kong“ wurde auch in Montpellier entwickelt?

Xavier:

Ja. Wir wussten bereits, wie man ein Spiel schafft, in dem es ums Überleben geht: Man versetzt den Spieler in eine Lage, in dem er praktische Lösungen finden muss, wie er sich seine Umwelt zunutze macht, z. B. wie er Feuer legt, um bestimmte Kreaturen loszuwerden usw. Dieses Wissen hat zu der Idee geführt, dass das GamePad der Wii U in der Welt des Spiels als Notausrüstung fungieren könnte.

Iwata:

Über die Hintergründe der Idee für die Notausrüstung würde ich gerne noch mehr erfahren.

Guillaume:

Schon früh in der Entwicklung war uns klar, dass der Spieler nicht beide Bildschirme gleichzeitig im Blick behalten kann, also mussten wir ihm Zeit geben, beide Bildschirme betrachten zu können. Anfangs haben wir gedacht, die Spieler könnten das GamePad der Wii U auf eine strategischere Weise nutzen. Soll heißen, der Spieler könnte auf dem GamePad der Wii U eine Strategie entwerfen, und wenn diese umgesetzt wird, kann man das auf dem Fernsehbildschirm verfolgen. Das war das Grundkonzept.

Iwata:

Ah, ja.

Guillaume:

Wir habe dieses Konzept in „Killer Freaks“ ausprobiert, doch die Gegner haben sich zu schnell bewegt, und es war auch nicht wirklich möglich, von einem Bildschirm zum nächsten zu wechseln. Man konnte das GamePad der Wii U nur nutzen, wenn man sich an einem sicheren Ort fernab des Geschehens befand.

Iwata:

„Killer Freaks“ war ein Ego-Shooter, also vermute ich, man musste seine Gegner im Auge behalten und hatte keine Zeit, auf den Bildschirm des Wii U GamePads zu schauen.

Guillaume:

Genau. Also haben wir die Gegner langsamer gemacht. Doch so, wie wir das GamePad der Wii U zunächst eingesetzt haben, haben die Leute beim Spielen trotzdem nicht draufgeschaut.

Xavier:

Ach ja, daran kann ich mich erinnern.

Guillaume:

Als Nächstes haben wir den Bildschirm des Wii U GamePads mit einer Minikarte und anderen Elementen versehen, um es nützlicher zu machen. Diesmal haben die Leute dann aber nur noch auf das GamePad der Wii U gestarrt. Den Fernseher haben sie überhaupt nicht beachtet, dabei ist da total viel passiert. Das hat also auch nicht funktioniert.

Iwata:

Ja. (lacht)

Guillaume:

Schlussendlich haben wir noch ewig herumgefeilt und verbessert, bis wir beim aktuellen System ankamen.

Iwata:

Wie haben Sie das Problem letztendlich gelöst?

Guillaume:

Die Lösung sah so aus, dass sich die Perspektive auf dem Fernseher ändert und man seine Spielfigur sieht, wenn man beispielsweise auf dem GamePad der Wii U in seinem Rucksack kramt. Das bedeutet, dass man Zeit hat, Dinge auf dem GamePad der Wii U zu erledigen, und trotzdem verfolgen kann, was um einen herum passiert.

Xavier:

Das GamePad der Wii U ist nicht bloß ein Controller, sondern es fungiert im Spiel als Notfallausrüstung und Multifunktionswerkzeug. Man kann es als Telefon, zur Eingabe von Kennwörtern oder zum Scannen benutzen … es dreht sich alles darum, voll ins Spiel einzutauchen und Dinge auf die gleiche Art und Weise zu erledigen wie auch im echten Leben. Wir haben ein System geschaffen, in dem der Spieler mit dem GamePad der Wii U präzise Handlungen ausführen kann, während er gleichzeitig auf dem Fernsehbildschirm sein Umfeld überwacht.

Iwata Asks
Iwata:

Verstehe. Wenn man es genau betrachtet, passen die typischen langsamen Bewegungen der Zombies also hervorragend zu diesem System.

Guillaume:

Genau. All diese Aspekte haben dazu beigetragen, dass wir ein stabiles Spielsystem erstellen konnten, mit einem Kreislauf aus Erwartung, Planung und Konfrontation. Die Konfrontation ist mit Sicherheit der dramatischste Aspekt des Spiels, doch in unseren Unterlagen zu den frühen Spielentwürfen betrug sie nur 50 Prozent des Spiels. Dieses Spielsystem hat es uns erlaubt, einen neuen Spielstil zu schaffen, in dem man die Zombies mit der Notfallausrüstung in der Hand bekämpft.

Iwata:

Es ist, als wären das GamePad der Wii U und die Notfallausrüstung miteinander verschmolzen.

Guillaume:

Die Idee entstand eigentlich aus etwas, das Shigeru Miyamoto einmal gesagt hat: das GamePad der Wii U könnte ein Objekt sein, das sich außerhalb der Welt des Spiels befindet.

Iwata:

Ja, das stimmt. Es ist schon interessant, dass Sie nicht aufgegeben haben, obwohl die Verbindung des Echtzeitgeschehens in einem Ego-Shooter mit dem Strategieaspekt des GamePads der Wii U nicht so gut funktioniert hat, wie Sie gehofft hatten, und trotzdem einfach weitergemacht haben, bis es kaum wiedererkennbar war. Ich bin sicher, dass vieles zu dem beigetragen hat, was Sie erreicht haben, einschließlich der Worte von Miyamoto-san.