4. Ein Grinsen ins Gesicht zaubern

Iwata:

In das erste Spiel der WarioWare-Reihe, WarioWare, Inc: Minigame Mania, hatten wir nicht allzu große kommerzielle Erwartungen gesetzt, nicht wahr? Doch mittlerweile ist diese Serie aus unserer Produktpalette nicht mehr wegzudenken und stellte einen der Launchtitel4 für den Nintendo DS. Nicht nur das, sie ist außerdem noch mit einem Launchtitel zum Verkaufsstart der Wii-Konsole vertreten. Das macht Sie als Entwickler der Reihe doch sicher stolz, oder? 4WarioWare: Smooth Moves wird in Japan gleichzeitig mit der Wii-Konsole veröffentlicht werden. Die europäische Version wird kurz nach dem Verkaufstart der Wii-Konsole in Europa und Nordamerika erhältlich sein.

Sakamoto:

Aber natürlich. Obwohl wir zuerst allenfalls an einen einmaligen Erfolg glaubten, hieß es nach der Entwicklung des Nintendo DS: "Diese Konsole ist für WarioWare wie maßgeschneidert!" (Lachen) Darum hatte ich mich entschlossen, für die Wii-Konsole einen WarioWare-Titel zu entwickeln, da brauchte man mich nicht erst zu bitten. Das hätte ich mir nach Veröffentlichung des ersten Teils nicht träumen lassen.

Abe:

Beim ersten WarioWare-Titel war es nicht so sehr das Spiel selbst, das es hervorhob, sondern die Tatsache, dass Nintendo zu dieser Zeit eine andere Firma war als jetzt. Innerhalb und außerhalb der Firma hatten wir das Image, nur "Nintendo-typische" Spiele herzustellen. WarioWare entstand aus dem Wunsch, etwas anderes zu machen, und bot die Art von Spaß, die nur etwas Neues, Unverbrauchtes bietet.

Iwata:

Ich erinnere mich, dass Sie zu der Zeit, als WarioWare entwickelt wurde, häufig gesagt haben, wir sollten uns neue Herausforderungen suchen.

Sakamoto:

Genau.

Abe:

Wir haben uns bei der Entwicklung ein bisschen Sorgen darüber gemacht, ob Nintendo ein solches Spiel überhaupt veröffentlichen würde. (Lachen)

Iwata:

Nun, es ist nicht gerade eines der anspruchsvollsten Spiele! (Lachen)

Alle:

(Lachen)

Sakamoto:

Unter den Mitarbeitern herrschte seit Entwicklung des ersten Teils eine ausgesprochen positive Atmosphäre. Es war offensichtlich, dass sie dieses Spiel machen wollten, und sie waren daran gewöhnt, ihre Arbeit voller Hingabe zu erledigen. Unser Problem bestand darin, alles zu einem verkaufbaren Paket zusammenzuschnüren. Wir wollten unsere Ideen beibehalten, mussten uns aber auch überlegen, wie wir das Ganze markttauglich machen konnten. Das hat uns einiges an Sorgen und Kopfzerbrechen bereitet.

Iwata:

Dabei ist interessant, dass besonders (Shigeru) Miyamoto-san sich besonders viele Gedanken darüber gemacht hat, wie man den ersten WarioWare-Titel am besten vermarkten könnte. Wir versuchten, etwas zu entwickeln, das eben nicht typisch Nintendo, oder extremer ausgedrückt, nicht typisch Miyamoto war. Deswegen war es im Grunde ziemlich kurios, dass ausgerechnet er am meisten darüber nachdachte!

Sakamoto:

Das stimmt, das Motto: "Mehr! Kürzer! Schneller!", stammt von Miyamoto-san5. 5Dieses Motto stand auf der Verpackung der japanischen Version, wurde aber für die europäische und nordamerikanische Version nicht verwendet.

Iwata Asks
Iwata:

Ja, er bestand eisern darauf, dass das auf die japanische Verpackung geschrieben wird.

Sakamoto:

Ich weiß noch, dass er sagte: "Wir können noch weiter gehen! Warum sagen wir nicht: 'Mehr! Kürzer! Schneller! Dümmer!'" (Lachen)

Iwata:

Damals investierte Miyamoto-san eine Menge Energie, um zu zeigen, wie sich WarioWare von anderen Spielen unterscheidet, da man einfach drauflosspielen konnte, ohne sich allzu sehr in das Spiel vertiefen zu müssen. Und das Ergebnis war, dass sich die WarioWare-Titel zu wichtigen Launchtiteln gemausert haben und, was noch viel wichtiger ist, mit ihnen eine neue Art von Software geschaffen wurde, die ein breites Spektrum von Leuten anspricht. Wirklich interessant dabei ist, dass es Miyamoto-san selbst war, der nach einem Spiel verlangte, das er selbst nicht entwickeln würde! Genau genommen ist der Mii-Kanal auf ähnliche Weise entstanden.

Sakamoto:

Ja, richtig.

Iwata:

Die Software, die Sie und Ihr Team mir vorführten, war ursprünglich für den Nintendo DS gedacht6. Sie entsprach genau dem, was Miyamoto-san schon längere Zeit zuvor vorgeschlagen hatte. Als ich sie ihm zeigte und zu ihm meinte, das wäre doch, was er vorgeschlagen hatte, entstand aus dieser Idee im Nu der Mii-Kanal. 6Weitere Informationen darüber, wie sich der Mii-Kanal aus dieser Software entwickelte, finden Sie in Teil 4 des Interviews zu den Wii-Kanälen in der "Iwata fragt"-Reihe.

Sakamoto:

Ich machte mir wirklich Sorgen, denn ich war gerade von einer Geschäftsreise zurückgekehrt und mir wurde von einem Mitarbeiter gesagt, Iwata-san und Miyamoto-san seien hier und es wäre etwas passiert. Ich habe schon das Schlimmste befürchtet und dachte, ich hätte etwas falsch gemacht...

Iwata:

(Lachen)

Abe:

Ich habe diese Software heute mal mitgebracht. Natürlich wurde sie fertig gestellt, aber werfen Sie doch trotzdem einen Blick darauf.

Iwata Asks
Iwata:

Die gesamte grundlegende Struktur des Mii-Kanals steckt bereits in dieser Software. Man kann auf einfache Weise Gesichter erstellen, und auch die Benutzeroberfläche ist sehr intuitiv. Miyamoto-san wollte ein "Alter Ego", das nicht zuviel Speicherplatz wegnehmen und den Spieler in möglichst vielen Spielen repräsentieren sollte. Und genau das hatten Sie erreicht.

Sakamoto:

Wenn ich ehrlich bin, wussten wir gar nicht, dass Miyamoto-san so etwas wollte. Bei unserer Software ging es keineswegs in erster Linie darum, Gesichter zu erstellen. Man sollte damit Charaktere entwerfen und speichern können, um sie in diversen Spielen auftreten zu lassen. Am Anfang konnte man mit der Software nur Augen, Nase und Mund zu einem Gesicht arrangieren. Dabei fiel mir auf, dass die Teile, die für mein Gesicht nötig wären, fehlten! (Lachen) Ich hätte größere Augen und die Möglichkeit, ihren Winkel zu ändern, gebraucht, aber das Programm gab das nicht her. Deswegen fragte ich: "Kann man nicht irgendwie den Winkel und die Größe der einzelnen Komponenten ändern?"

Iwata:

Und das war der entscheidende Moment! Ohne diesen Einfall gäbe es keinen Mii-Kanal und keine Mii-Charaktere, und die Entwicklung der Wii-Konsole hätte wahrscheinlich eine völlig andere Richtung eingeschlagen.

Sakamoto:

Manchmal lohnt es sich, zu fragen! Und das nur, weil ich mein Gesicht nicht nachstellen konnte! (Lachen) Ich sagte meinen Mitarbeitern, sie sollten das Programm so ändern, dass es auch für Leute ohne Durchschnittsgesicht möglich wird, ihr Gesicht nachzustellen.

Iwata:

"Durchschnittsgesicht!" (Lachen) Wenn sie das nicht gesagt hätten, wäre Wii jetzt ganz anders!

Abe:

Anders gesagt, wenn Sakamoto-san hier ein normaleres Gesicht hätte, dann gäbe es Wii in seiner jetzigen Form nicht!

Sakamoto:

Das stimmt... Hey, Moment mal!

Iwata:

Aber es stimmt doch! (Lachen)

Sakamoto:

Also gut, Sie haben ja Recht. Aber da draußen gibt es noch mehr Leute mit einzigartigen Gesichtern! (Lachen) Es wäre sehr nachlässig gewesen, wenn wir die Gesichter nicht vollständig editierbar gemacht hätten. Dank der Anforderungen, die wir gestellt haben, kann man jetzt viele verschiedene Gesichter erstellen.

Iwata:

Dadurch wurde die Software erst richtig interessant. Und wenn sie nicht interessant gewesen wäre, dann hätten Sie sie mir wahrscheinlich niemals gezeigt...

Iwata Asks
Abe:

Sakamoto-sans merkwürdiges Gesicht hat Wii für immer verändert.

Sakamoto:

Also so langsam ist es gut damit!

Iwata:

Und damit kommen wir zurück zu WarioWare: Smooth Moves, denn auch dort finden die Mii-Charaktere Verwendung. Können Sie uns etwas über die Mii-Charaktere in WarioWare erzählen?

Abe:

Zu Beginn des Spiels kann man seinen Namen eingeben und sein persönliches Mii auswählen - dieses Mii wird dann gelegentlich in den Mikrospielen auftauchen. Beispielsweise gibt es ein Mikrospiel, bei dem das Gesicht des Miis oben an einer Sprungfeder erscheint. Der Spieler wird also quasi zu einer menschlichen Sprungfeder! Das Ziel dieses Mikrospiels ist es, Bällen auszuweichen, indem man in der Form "Der Irokese" die Wii-Fernbedienung über den Kopf hält und sich zur Seite lehnt. Das Mii auf dem Bildschirm wird dann die Bewegung nachahmen, um den Bällen auszuweichen.

Iwata:

Dadurch, dass man sein eigenes Gesicht auf dem Bildschirm sieht, strengt man sich viel mehr an!

Abe:

Man nimmt es ganz anders wahr! (Lachen)

Iwata:

"Oh, das bin ja ich!" (Lachen)

Sakamoto:

Man gibt sein Bestes! (Lachen)

Abe:

Und wenn man getroffen wird, ärgert man sich gleich noch mehr! (Lachen) Das ist in etwa die Art, in der Mii-Charaktere in WarioWare: Smooth Moves eingesetzt werden.

Sakamoto:

Am lustigsten ist es, wenn ein Charakter auf dem Bildschirm dem Spieler den Rücken zudreht. Man tut sein Bestes, um ihn zu steuern, aber dann macht man einen Fehler. Daraufhin dreht sich der Charakter um und man blickt sich selbst ins Gesicht! (Lachen)

Iwata:

Das ist eine interessante Funktion! (Lachen)

Sakamoto:

Denken Sie nicht, dass das ein wenig "blödsinnig" ist?

Iwata:

Jetzt, wo sie es sagen... Es ist völliger Blödsinn! (Lachen)

Alle:

(Lachen)

Iwata:

Zuletzt sagen Sie doch bitte etwas zu den Fans, die schon lange geduldig auf dieses Spiel warten.

Abe:

Aber gern. WarioWare-Titel gibt es bisher hauptsächlich auf tragbaren Konsolen und man spielt alleine, aber diesmal haben wir besonders viel Wert auf den Mehrspieler-Aspekt gelegt. Natürlich kann man es auch allein spielen, aber ich möchte, dass die Leute so oft wie möglich mit anderen zusammen spielen, alle Hemmungen über Bord werfen und diese Erfahrung miteinander teilen!

Sakamoto:

Es ist wirklich ein Spiel, bei dem sowohl das Spielen als auch das Zuschauen Spaß macht. Es begeistert auch die Zuschauer. Neben dem Hauptspiel gibt es jede Menge anderer Dinge. Es macht Spaß, es mit anderen Leuten zusammen zu spielen. Es ist eine Art Party-Spiel, das zu allen Gelegenheiten passt. Man kann es an Weihnachten oder Silvester mit der Familie spielen. Auch Oma und Opa können es versuchen und ein paar Kniebeugen machen! (Lachen)

Iwata:

Anders gesagt, bei WarioWare: Smooth Moves reicht schon eine Wii-Fernbedienung und ein Fernsehgerät aus, um jedem im Raum ein Grinsen ins Gesicht zu zaubern. Ich möchte, dass jeder es ausprobiert und sich ein Bild davon macht. Allerdings finde ich es schade, dass in diesem Interview keine schrecklichen Probleme bei der Entwicklung zur Sprache kamen! (Lachen)

Alle:

(Lachen)

Iwata:

Natürlich glaube ich nicht eine Sekunde lang, dass bei der Entwicklung alles glatt lief. Es gab sicher Momente, in denen Sie erschöpft waren, aber Sie haben sich nie entmutigen lassen. Wenn ich so darüber nachdenke, scheinen die Mitarbeiter des WarioWare-Teams immer mit einem Grinsen im Gesicht herumzulaufen!

Sakamoto:

So sind Sie nun mal. Aber wer weiß, vielleicht weinen sie alle heimlich hinter meinem Rücken! (Lachen) Aber wenn ich jetzt auf das Projekt zurückblicke, kann ich sagen, dass es recht glatt verlaufen ist und wir eine Menge Spaß dabei hatten. Ich bin sicher, dass alle sehr erschöpft sind, aber man kann deutlich sehen, dass jeder einzelne froh war, Teil des Teams zu sein. Deswegen lief auch von Anfang bis Ende alles so glatt.

Iwata:

Normalerweise kann man nichts von Qualität erschaffen, ohne dabei kämpfen zu müssen. Aber ich denke, gerade weil sich das Entwicklerteam nie entmutigen ließ, konnte es die Idee zu einem Spiel haben, das jeden zum Lächeln bringt.

Sakamoto:

Das denke ich auch. Man merkt es den Spielen an, nicht wahr? Ich meine die Stimmung im Entwicklerteam. Wenn wir es geschafft haben, den Spaß, den wir bei der Entwicklung hatten, ins Spiel zu übertragen, dann haben wir unser Ziel erreicht.

Iwata:

Ja, irgendwie hätte es nicht gepasst, wenn sie mir gesagt hätten, dass WarioWare: Smooth Moves das Ergebnis eines langen, qualvollen Prozesses war. Es ist schließlich ein Spiel, bei dem man jemandem einen Finger in die Nase steckt!

Alle:

(Lachen)