3. Der wedelnde Avatar

Iwata:

Sie haben bei diesem Projekt ja auch viel Arbeit mit der Festlegung des Designs gehabt. Zum Beispiel sollte die Hauptfarbe von Wii Fit ursprünglich Blau sein, passend zu Wii.11 Bei der E3 im Juli war es noch Blau, und dann fiel plötzlich die Entscheidung für Grün... 11 Bei der Nintendo Conference im Oktober 2007 war das Wii Fit-Design in Blau gehalten.

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Oyama:

Tatsächlich war Blau noch bei der Nintendo Conference im Oktober die Hauptfarbe.

Iwata:

(schockierter Gesichtsausdruck) Stimmt! Das ist ja ein Ding! (lacht)

Alle:

(lachen)

Oyama:

Am Tag vor der Nintendo Conference kam plötzlich das Thema auf, Grün zur Hauptfarbe zu machen. Ich hatte schon halb damit gerechnet und mich in mein Schicksal gefügt. Im Laufe der Zeit hatte sich ein deutlicher Trend zur Verwendung von Grün abgezeichnet.

Iwata:

Sogar die Prospekte zur Nintendo Conference waren grün, oder?

Alle:

(lachen)

Oyama:

Direkt nach der E3 fing das Spiel an, immer grüner zu werden. Ich hatte Blau ursprünglich gewählt, weil es so rein wirkt und zu Wii passt. Aber schließlich war Wii Fit ja ein ganz neues Produkt und ich machte mir Sorgen, dass es falsch gewesen war, mit der Hauptfarbe ein anderes, schon bestehendes Produkt zu zitieren. Deshalb traf ich im letzten Moment die Entscheidung, statt Blau eben Grün zu verwenden. Die Farbe passt sehr gut zum Thema Gesundheit, das bei Wii Fit so wichtig ist, und deshalb glaube ich, dass die Entscheidung richtig war.

Iwata Asks
Iwata:

Dann danke ich Ihnen. (lacht)Noch eine Frage: Bei Wii Fit wurde ja schon ziemlich früh die Verwendung von Mii-Charakteren beschlossen. Aber obwohl die Mii-Charaktere gut zu Wii Fit passen, war es doch nicht möglich, das Mii-typische Design in den Vordergrund zu stellen. Es gibt ja in Wii Fit mit den realistisch animierten Trainercharakteren und dem Avatar des Wii Balance Boards noch weitere Designelemente. Wenn Sie hier im Design Fehler gemacht hätten, wäre ein uneinheitlicher Eindruck entstanden. Wie sind Sie mit diesen Problemen umgegangen?

Oyama:

Ein Mii könnte keine Bewegungen demonstrieren, wie sie beispielsweise der Spieler in den Muskelübungen oder im Yoga durchführen soll. In der Baum-Position hätte das Mii beide Arme anheben müssen – aber dafür sind seine Arme viel zu kurz! (lacht)

Iwata:

Außerdem hätte man für diese Übungen eh kein realistisch proportioniertes Mii kreieren können. (lacht)

Alle:

(lachen)

Oyama:

Deshalb haben wir beschlossen, für die Trainer realistische Modelle zu verwenden.

Iwata:

Es gab wohl auch Pläne, nicht ein Modell aus Polygonen zu verwenden, sondern einen realen Menschen darzustellen.

Oyama:

Stimmt. Eine reale Darstellung hätte den Vorteil gehabt, dass die Bewegung der Muskeln und Kleider sowie der Gesichtsausdruck des Darstellers deutlich zu erkennen sind. Es ist aber sehr kompliziert, nach den Aufnahmen mit den Darstellern Veränderungen vorzunehmen. Außerdem hätte der Spieler nicht mehr die Möglichkeit gehabt, den Blickwinkel auf die Figur zu ändern. Deshalb haben wir uns für ein 3D-Modell entschieden. Nachdem wir ursprünglich ein möglichst realistisches Modell mit echt aussehender Haut und Kleidern verwendet hatten, stellten wir aber fest, dass diese Figur in der Welt von Wii Fit neben den Mii-Charakteren und dem Avatar seltsam deplatziert wirkte. Als wir dann versuchsweise die Hautfarbe herausnahmen, passte sich der Trainer viel besser in die Umgebung ein. Da viele Betrachter diesen Trainer vorzogen, haben wir uns für die Darstellung mit weißer Haut entschieden. Trotzdem befürchteten wir, dass die Beziehung zwischen den Mii-Charakteren, dem Wii Balance Board-Avatar und dem Trainer auf unsere Kunden nicht ausgewogen erscheinen könnte. Wir diskutierten das im Team und kamen zu dem Schluss, dass der Hauptdarsteller in Wii Fit natürlich der Kunde bzw. sein Mii ist. Die Hauptrolle bei der Vorstellung der Spiele sollte allerdings der Avatar des Wii Balance Boards übernehmen. Aber so, wie der Avatar beschaffen ist, ist er für einige Dinge, zum Beispiel die Demonstration von Yoga-Posen, vollkommen ungeeignet. Deshalb haben wir es so eingerichtet, dass er sich zu diesem Zweck der beiden Trainer bedient.

Iwata Asks
Iwata:

Der Avatar des Wii Balance Boards ist also quasi der Chef der beiden Trainer? (lacht)

Oyama:

Nachdem wir uns für dieses Arrangement entschieden hatten, wurde die Arbeit leichter. Fast wie bei einem Puzzle, bei dem auf einmal alle Teile passen.

Iwata:

Wieso ist der Avatar eigentlich so ein

Video: flexibler Charakter

Sie haben bei diesem Projekt ja auch viel Arbeit mit der Festlegung des Designs gehabt. Zum Beispiel sollte die Hauptfarbe von Wii Fit ursprünglich Blau sein, passend zu Wii.
flexibler Charakter ? Normalerweise sind Waagen doch eher unflexibel, oder? (lacht)

Oyama:

Als ich in das Entwicklerteam kam, existierte der Wii Balance Board-Avatar noch nicht. Als wir kurz darauf das mögliche Aussehen des Wii Balance Board-Lehrers diskutierten, erwogen wir sogar für eine Weile, es dem Trainer nachzuempfinden, der unsere Übungen überwachte. Aber dann schlug Miyamoto-san vor, dass wir doch die Hardware für sich selbst sprechen lassen sollten. Und da das Wii Balance Board auf einmal sämtliche Erklärungen selbst durchführen konnte, wurde es zum Bindeglied für alle voneinander getrennten Elemente der Software.Allerdings ist eine Waage normalerweise ein unbelebter Gegenstand, und wenn sie auf einmal beginnt zu sprechen, wirkt das für sich genommen nicht überzeugend. Deshalb beschlossen wir, dass der Avatar in Wii Fit seine Form frei verändern kann. In der Entwicklungsphase gab es auch eine Animation, in der der Avatar hinter den Kalender fliegt und wieder hervorkommt, fast wie ein fliegender Teppich!

Alle:

(lachen)

Oyama:

Manchmal erlauben sich Entwickler solche Scherze – wir wollten, dass der Avatar zwischendurch solche Kapriolen macht. Doch dann kam irgendwann die Mail von Miyamoto: „Ich wusste gar nicht, dass das Wii Balance Board so leicht ist!“ Er meinte damit, dass Waagen eher schwer sind und wir das doch bitte berücksichtigen sollten. Also haben wir die Bewegungsmöglichkeiten des Wii Balance Board-Avatars ein wenig eingeschränkt, bis er die jetzige Form angenommen hat.

Iwata:

Verstehe. Dieser Realitätsbezug ist typisch für Miyamoto-san. Bei einem fliegenden Avatar geht der Bezug zum realen Gewicht des Wii Balance Boards verloren, und das ist nicht akzeptabel. Trotzdem ist es eine interessante Vorstellung, dass ein Mensch, der lange Jahre Gegner für Zelda-Spiele erstellt hat, auf einmal das Wii Balance Board durch die Luft schweben lässt. Da bin ich schon gespannt, was das nächste Zelda-Spiel bringt! (lacht)

Alle:

(lachen)

Iwata Asks
Oyama:

Übrigens, die Form des Wii Balance Boards hat sich während der Entwicklung ziemlich oft verändert. Als ich ins Entwicklerteam kam, hatte es noch ein Kabel zum Anschluss der Wii-Fernbedienung. Das habe ich natürlich beim Design des Avatars berücksichtigt und das Ergebnis sah aus wie die Rute eines Hundes. War gar nicht mal schlecht!

Iwata:

Tut mir wirklich leid! Ein Kommentar12 von mir, und die Rute musste verschwinden. 12 Iwata-san bemerkte, dass man es dem Kunden nicht zumuten könne, jedes Mal die Wii-Fernbedienung an das Wii Balance Board anzuschließen, wenn er Wii Fit verwenden wolle, und forderte eine Änderung des Designs. Details in Teil 1 der Interviewserie.

Alle:

(lachen)

Oyama:

Die Darstellung von Gefühlsregungen wäre mit der Rute auf jeden Fall leichter gewesen. Wenn der Avatar sich freut, hat er das einfach durch Wedeln ausgedrückt.

Iwata:

Verständlich.

Oyama:

Vom Design-Standpunkt aus war der Verlust der Rute zwar ein Jammer, aber ohne Kabel ist das Wii Balance Board wirklich leichter zu verwenden. Deshalb fand ich diese Lösung auch besser. Da aber der Ausdruck von Gefühlsregungen mit einer einfachen viereckigen Form wirklich schwierig ist, haben wir uns dazu entschlossen, den Avatar flexibel zu machen.

Iwata Asks
Iwata:

Ach so! Übrigens sollte es ursprünglich doch nicht zwei, sondern nur einen Trainercharakter geben, und zwar eine Trainerin. Sie mussten also noch einen Charakter hinzufügen, weil Miyamoto-san der Meinung war, es wäre besser, wenn es auch einen männlichen Charakter gäbe, oder?

Oyama:

Er hat zu uns gesagt: „Es wäre doch nett, wenn der männliche Charakter ein dicklicher, älterer Herr wäre, oder?“

Iwata:

Ein dicklicher, älterer Herr! (lacht)Auf solche Ideen kommt auch nur Miyamoto-san!

Oyama:

Es gab Vorschläge, mehr als zwei Trainer einzubauen. Aber mit noch mehr Trainern hätte sich alles sehr verzettelt. Deshalb haben wir beschlossen, zwei Trainer zu nehmen, damit sich der Nutzer mehr auf den sportlichen Aspekt der Software konzentrieren kann.

Iwata:

So wie es ja auch sein sollte, weil ja schließlich die Gesundheit im Vordergrund steht und wir davon ausgehen, dass unsere Kunden jeden Tag trainieren.

Oyama:

Durch die Beschränkung auf zwei Trainer konnten wir diese auch ein wenig persönlicher gestalten. Zum Beispiel ändert sich die Frisur je nach Monat ein wenig, und wenn sie unter der Woche die Haare streng frisiert haben, tragen sie sie am Wochenende offen.

Iwata:

Was? Das war mir ja gar nicht aufgefallen!

Oyama:

Das war ja gerade unsere Absicht. Anstatt die Trainer zu ausgefallen zu gestalten, wollten wir eher subtile Besonderheiten hinzufügen. So können sich die Leute, denen es dann doch auffällt, besonders darüber freuen. Aber jetzt habe ich mich verplappert! (lacht)

Alle:

(lachen)