2. Fokus

Iwata:

Also haben Sie insgesamt mit „Tofu-kun“ und dem Herumexperimentieren ein Jahr gebraucht. Welches war die größte Schwierigkeit, auf die Sie in dieser Zeit stießen?

Matsumoto:

Ah, nun, das wird wohl „Fokus“ gewesen sein...

Sakaguchi:

Ja, das war es.

Matsumoto:

(spricht mit Überzeugung) Das war wirklich eine ... Qual!

Alle:

(Gelächter)

Sakaguchi:

Während wir versuchten, ein neues Kampfsystem für The Last Story zu erstellen, waren unsere Schlagwörter „Ordnung“ und „Chaos“. Der zentrale Gedanke dahinter bestand darin, dass man, wenn man innerhalb des Chaos des Schlachtfeldes für Ordnung sorgte, den Sieg erlangte.

Iwata:

Die Seite, der es also gelang, für Ordnung zu sorgen, war am Ende erfolgreich.

Sakaguchi:

Genau. Doch das ist an sich noch nicht genug. Ist es Ihrem Gegner gelungen, die Ordnung herzustellen, dann müssen Sie diese Ordnung stören, versuchen, Ihren Gegner aus dem Gleichgewicht zu bringen und wieder ins Chaos zu stürzen. Das erweist sich jedoch als sehr schwierig.

Iwata:

Also muss man versuchen, die Ordnung nur auf der eigenen Seite herzustellen, und jegliche Ordnung auf der gegnerischen Seite in ein Chaos verwandeln.

Sakaguchi:

Genau. Der Held, Zael, verfügt über eine Kraft, die als „Fokus“ bezeichnet wird und mit der er die Ordnung und das Chaos bis zu einem gewissen Grad steuern kann. Verwendet man „Fokus“, so zieht man die Aufmerksamkeit aller Gegner auf sich. Das heißt, dass Zael auf dem Schlachtfeld angreifen und einen bestimmten Gegner so aus der Position bringen kann. Aber es wollte uns einfach nicht gelingen, dieses Feature zum Laufen zu bringen. Es führte einfach nur zu einem ziemlich großen Durcheinander auf dem Schlachtfeld, was für keinen von Vorteil war. Wir machten uns Sorgen, dass die Anwendung des „Fokus“ letztendlich dazu führt, dass der Spieler den Kampf verliert.

Iwata Asks
Matsumoto:

Ja, genau. Die Phase des Herumexperimentierens zog sich doch recht lange hin. Doch über diese Zeit hinweg hatte ich das zentrale Konzept im Kopf. Die Vorstellung, für Ordnung zu sorgen, war schon sehr verlockend, und ich wiederholte das unzählige Male dem Team gegenüber. Das Problem war nur, dass ich die Idee nicht so einfach fallen lassen konnte, nachdem ich sie angesprochen hatte, ohne dass alle davon etwas mitbekamen ... (lacht)

Alle:

(Gelächter)

Matsumoto:

Mittendrin fing ich an, mir darüber Gedanken zu machen, ob ich vielleicht schon die ganze Zeit damit falsch lag, dass der „Fokus“ Ordnung symbolisierte.

Sakaguchi:

Das war der Grund, warum wir uns mitten in der Entwicklung ein wenig von diesem Konzept entfernten. Wir wollten uns durch dieses Konzept des „Fokus“ nicht zu sehr einengen, sondern wollten das Konzept wieder auf die Grundlagen reduzieren und so herausfinden, wie wir diese Idee auf interessante Weise nutzen konnten.

Matsumoto:

Wir hatten damals eine wirklich schwierige Zeit.

Sakaguchi:

Die größte Herausforderung, der wir uns gegenüber sahen, war die Stärke des „Fokus“ an die Gegner oder die Lage auf dem Schlachtfeld anzupassen, mit denen man es zu tun hatte. So kann beispielsweise einer Ihrer Kumpel ein Zauberer sein und jemanden während des Kampfes verhexen. Während er denjenigen verhext, können die Gegner nur so um ihn herumschwirren. Verwendet Zael den „Fokus“, dann kann er als Lockvogel fungieren und so die Aufmerksamkeit aller Gegner auf sich lenken5. Aber dann mussten wir auch den Moment bestimmen, an dem die Aufmerksamkeit wieder auf den Zauberer gelenkt werden sollte. So konnte ein Gegner die Gefahr wittern und den Zauberer ansehen, während ein anderer Zael fest im Visier hatte. 5Hier finden Sie weitere Details zum „Fokus“.

Matsumoto:

Die Schwierigkeit bestand darin, dass wir die Art und Weise, wie die Gegner auf den „Fokus“ reagierten, an die jeweilige Kampfsituation anpassen wollten.

Sakaguchi:

Wir machten uns die Mühe, bei jedem Kampf die gegnerische Aufstellung und die Taktik zu verändern. Daher wäre es natürlich eine Schande gewesen, hätte „Fokus“ jedes Mal die gleiche Wirkung gezeigt. Darum gingen wir am Ende zu einem systematischen, einheitlichen Ansatz für den „Fokus“ über, verwendeten anschließend aber viel Mühe auf die Anpassung seiner Reichweite etc.

Iwata Asks
Iwata:

Das „Fokus“-System funktioniert im gesamten Spiel weitgehend auf die gleiche Weise. Aber ohne Ihre Anpassung der jeweiligen Parameter für jeden einzelnen Fall hätte es nicht in der von Ihnen vorgesehenen Weise funktioniert. Haben Sie diese Anpassungen auch weiterhin vorgenommen, als Sie schon von „Tofu-kun“ zu Ihrer Arbeit an den wirklichen Spielgrafiken übergegangen waren?

Matsumoto:

Ja, das haben wir tatsächlich.

Iwata:

Waren Sie am Ende zufrieden, dass mithilfe von „Fokus“ die Ordnung auf dem Schlachtfeld hergestellt werden konnte?

Sakaguchi:

Ja, das waren wir. Es gibt da ein Gameplay-Element namens „Umzingelt“, wo die Gegner nur so um einen herumschwirren und angreifen. Und wenn Sie da nicht etwas unternehmen, kommen Sie in große Schwierigkeiten. Das Spiel ist aber so angelegt, dass der Spieler diese Situation umgeht, wenn er das erste Mal von „Fokus“ Gebrauch macht.

Matsumoto:

Und anschließend nutzen Sie die Option, um Ihren Kumpels aus der Patsche zu helfen, und können dabei ganz und gar das Gefühl auskosten, ein Held zu sein. Bei der Option „Fokus“ lassen Sie sich auf ein Lotteriespiel ein, bei dem Sie sich einen Weg bahnen müssen, um den auf Sie zuströmenden Gegnern zu entkommen. Das ist ein wesentlicher Spaß-Faktor dieser Funktion.

Sakaguchi:

Selbstverständlich kann man seine Gegner auch ohne die „Fokus-“Option bezwingen. Außerdem steht dem Spieler ein Kumpel zur Seite, der einen ähnlichen Effekt hat. Auch Ihre Kumpels können Ihnen aus der Patsche helfen, indem Sie die Gegner auf sich ziehen.

Iwata:

Was Sie damit sagen wollen, ist, dass man mehrere Taktiken zur Auswahl hat und der Spieler die Freiheit genießt, die Vorgehensweise auszuwählen, die ihm am geeignetsten erscheint.

Sakaguchi:

Genau. Und auf diese Weise entwickelt man seine eigene Spielmethode.

Iwata:

Hatte auch jedes Mitglied des Entwicklungsteams seine ganz persönliche Methode, das Spiel zu spielen?

Matsumoto:

Ja, so war es. Da bestand eine richtige Kluft zwischen denjenigen, die während des Kampfes Schutz brauchten, und denjenigen, die ohne auskamen. Da gibt es diejenigen, die sich während der Anwendung von „Fokus“ verteidigen müssen, um den Gegner einzuschätzen, und diejenigen, die einfach nur angreifen. Ich gehe eher etwas bedächtiger vor, also brauche ich Schutz. So kann man das Schlachtfeld mit Besonnenheit einschätzen. Mir geht es im Grunde genommen darum, dass ich jederzeit geschützt bin! (lacht)

Iwata Asks
Sakaguchi:

Das stimmt. Mr. Matsumoto war für das Erstellen der Anleitung verantwortlich. Und auch dort wird dem Spieler dringend empfohlen, sich immer selbst zu schützen. (lacht)

Iwata:

Als Schöpfer des Spiels empfehlen Sie also, sich selbst zu schützen, einen Schritt zurückzutreten und die Situation einzuschätzen, um sich so weitere Kampfoptionen zu überlegen.

Matsumoto:

Genau. Vergleichen Sie es mit einem Fußballspiel: Es ist in etwa so, als würde man aus der Vogelperspektive beobachten, wie sich das Spiel entwickelt. Aber natürlich sind Sie nicht auf irgendeinen Spielstil festgelegt. Wenn Sie sich nicht schützen möchten, dann ist das auch ok.

Sakaguchi:

Aber, wenn Sie Ihre Gegner auf dem falschen Fuß erwischen, dann ist es doch viel angenehmer, gemeinsam mit der ganzen Mannschaft anzugreifen. Meiner Meinung nach ist es am besten, die Situation abzuwägen und bei Bedarf Schutzmaßnahmen anzuwenden. Auch wenn wir diese nicht in die endgültige Version eingebaut haben, gab es da doch eine „Wiederholungsfunktion“, oder?

Matsumoto:

Ach, ja ... die war auch sehr mühsam zum Laufen zu bringen. Dieses System entstand aus einem gewissen Sinn für Ehre oder Gerechtigkeit...

Sakaguchi:

Richtig. Ich sehe das genauso. Bei der Wiederholungsfunktion gab es ein paar Sekunden an Filmmaterial, die automatisch aufgezeichnet wurden und zum nochmaligen Ansehen zurückgespult werden konnten. Im Eifer des Gefechts kann es manchmal sehr chaotisch zugehen, so dass mitunter unmöglich zurückverfolgt werden kann, wer wen geschlagen hat. Spielt man die Szene aber erneut aus der Vogelperspektive ab, dann kann man demjenigen die Anerkennung zollen, der den Gegner wirklich getroffen hat. Aber da durch das Zurückspulen das Kampftempo gestört wurde, nahmen wir schweren Herzens Abstand davon. Als Kompensation dafür pausiert die Action jeweils für einen Moment, wenn der Spieler einen Befehl eingibt. Und während dieser kurzen Pause sieht man das Schlachtfeld aus der Vogelperspektive. Das ist es also, was von der Wiederholungsfunktion übrig geblieben ist.

Iwata:

Dies ist also ein Feature, das im Spiel überlebt hat und durch Ausprobieren entstanden ist.

Sakaguchi:

Es gab schon solche Funktionen. Trotzdem würde ich sagen, dass die meisten Systemfunktionen erst anschließend dazukamen. Wenn man den Programmierern etwas vorschlug, dann konnten sie das schon relativ schnell umsetzen.

Iwata:

Welche neuen Systemfunktionen haben Sie also während des Entwicklungsprozesses hinzugefügt?

Iwata Asks
Sakaguchi:

Die wichtigste ist meiner Meinung nach die, mit der man Wände hochklettern konnte. Am Anfang, als wir die Verliese erstellten, hatten wir dieses Feature noch nicht eingebaut. Aber anschließend gingen wir nochmal zurück und erweiterten die Verliese um diese Funktion.

Matsumoto:

Das ist richtig. Immer wenn wir ein neues Systemelement entwickelten, mussten wir noch mal zurückgehen und die Stufen, die wir anfangs erstellt hatten, demensprechend anpassen. Mir war dabei schon bewusst, dass ich ziemlich viel von dem Team verlangte. Und dann wurde noch der automatische Angriff hinzugefügt. Das war eine bedeutende Aufgabe. Hiermit konnte man automatisch einen Angriff entfesseln, wenn man den Control Stick auf den Gegner richtete, während man sich diesem näherte. Durch das Anpassen des Systems bekam der Spieler ein wenig Abstand zu seinen Gegnern und einen besseren Überblick über die Lage auf dem Schlachtfeld.

Sakaguchi:

Sie können Ihre bevorzugte Angriffsmethode aus dem Menü auswählen. Beim Auswählen des „Normalmodus“ sind automatische Angriffe möglich, während „Manueller Modus“ bedeutet, dass Sie die Angriffe selbst mithilfe von Knöpfen steuern. Eine wirkliche Herausforderung bestand darin, das richtige Gleichgewicht zwischen automatischen und manuellen Angriffen zu finden. Bei manuellen Angriffen kann man weiterhin Knöpfe drücken, und es ist leichter als bei automatischen Angriffen, Combo-Attacken zu entfesseln. Hiermit kann man einen klaren Vorteil erzielen und das Gleichgewicht des Spiels stören. Da wir das nicht wollten, haben wir es mit dem Wechsel zu manuellen Angriffen leicht gemacht, Kämpfe zu gewinnen. Hieran haben wir noch bis zum Ende herumgebastelt.