3. Wie klingt der Weltraum?

Iwata:

Nach drei Monaten intensiven Nachdenkens, nachdem Sie so großem Druck ausgesetzt waren, dass Sie fast schon den Job aufgeben wollten, entstand also das Titelthema. Yokota-san, was führte zum Durchbruch, was hat Ihnen geholfen, das Titelthema zu vollenden?

Yokota:

Ich lud Miyamoto-san in das Sound-Studio ein und ließ ihn verschiedene Titel anhören, die alle einen anderen Stil hatten. Zu dem Zeitpunkt wollte ich nur, dass Miyamoto-san mir zeigte, in welche Richtung der Soundtrack gehen sollte. Also wählte ich drei Stücke aus: ein orchestrales Stück, eines, das eine Mischung aus Orchester und Pop war und als Letztes ein Stück in reinem Popstil. Ich erzählte ihm nicht, von wem welcher Titel stammte, und er wählte das Stück „Egg Planet“ und sagte: „Das ist der Stil, mit dem wir weiterarbeiten sollten.“

Video: Bitte hören Sie es sich doch einmal an.

Nach drei Monaten intensiven Nachdenkens, nachdem Sie so großem Druck ausgesetzt waren, dass Sie fast schon den Job aufgeben wollten, entstand also das Titelthema.
Bitte hören Sie es sich doch einmal an.

Yokota:

Man merkt es sofort – es gibt überhaupt keine ‚Drums’ und das tropische Flair aus früheren Mario-Spielen ist auch verschwunden.

Iwata Asks
Iwata:

Dieser Titel wurde auch bei der E3 im letzten Jahr verwendet, nicht wahr?

Yokota:

Dieser Titel stammt von Kondo-san. Miyamoto-san hatte Kondo-sans Stück ausgewählt, ohne zu wissen, wer die Musik geschrieben hat. Das hat meinen Eindruck bestätigt, dass Kondo-san Mario-Spiele wirklich kennt. Bis zu diesem Zeitpunkt war ich unglaublich gestresst und danach fühlte ich mich unglaublich befreit. Zu diesem Zeitpunkt wurde die grundlegende Richtung des Super Mario Galaxy-Soundtracks festgelegt.

Iwata:

Durch diese Komposition wurden Sie also von den Fesseln tropischer Sounds und lateinamerikanischer Musik befreit.

Yokota:

Genau. Miyamoto-san hatte zu mir gesagt: „Das ist gut! Das klingt am ehesten nach Weltraum.”, aber er sagte nie: „Das klingt am ehesten nach Mario.”

Kondo:

Es gibt Gelegenheiten, da konzentriert man sich zu sehr darauf, eine Komposition „nach Mario klingen zu lassen“ und dann erhält man seltsame und unnatürliche Musik, bis es schließlich anstrengend wird, sich die Melodie überhaupt anzuhören, und am Ende hört sie sich gar nicht mehr nach Mario an. Letztendlich ist Musik im Mariostil einfach eine coole Komposition, die sich dem Rhythmus des Spiels anpasst.

Iwata:

Bei Super Mario Bros. hatte die Musik tatsächlich eine Menge tropischer Elemente, aber man muss auch festhalten, dass der Sound sich abhängig vom Level komplett ändert. Die Stücke helfen, die Atmosphäre der Spielwelt zu erschaffen. Deshalb hat Miyamoto-san wohl auch die Stücke ausgewählt, die er ausgewählt hat: weil sie am besten die Spielwelt darstellen konnten – nicht, weil sie sich nach Mario anhörten, sondern weil sie sich nach Weltall anhörten. Weil er eben wollte, dass die Musik die Atmosphäre des Weltalls einfängt. Als jemand, der Industriedesign studiert hat, nähert sich Miyamoto-san seinen Aufgaben zunächst von der Seite der Funktion. Er wollte wohl, dass die Musik dabei hilft, die Spielwelt lebendig werden zu lassen.

Iwata Asks
Yokota:

Ich denke auch, so muss es wohl sein.

Iwata:

Aber weil niemand Ihnen das in einfachen Worten erklären konnte, hatten Sie so lange eine harte Zeit.

Yokota:

Rückblickend mag die Zeit verschwendet erscheinen, in der ich versuchte, einen Titel nach Mario klingen zu lassen, aber durch diesen harten Kampf war die Erkenntnis viel deutlicher, als mir all diese Dinge auffielen. Kondo-san kam dann zu mir und sagte, die Titel, die ich danach komponierte, klangen viel „natürlicher“.

Iwata:

Was meinen Sie mit „natürlich”?

Kondo:

Die Kompositionen klangen eben nicht mehr so, als hätte man sich sklavisch an bereits existierende Mario-Melodien gehalten. Vorher klangen viele Kompositionen so, als hätten sie einen Hintergedanken, nämlich den Mario-Sound zu kopieren. Wenn man solche Elemente in einer Komposition hören kann, dann klingt sie unnatürlich.

Iwata:

Vielleicht fiel es dem Zuhörer schwer, die Kompositionen zu genießen, weil sie etwas imitieren wollten, was sie nicht waren.

Kondo:

Weil sie etwas waren, das ihr Schöpfer nicht natürlich geschaffen hatte, konnte ich sie nicht akzeptieren. Das Problem war, dass dieser Sachverhalt sehr schwer in Worte zu fassen ist. Ich bin sicher, Yokota-san hatte eine harte Zeit! (lacht)

Alle:

(lachen)

Iwata Asks
Iwata:

Kondo-san, hatten Sie selbst auch schon solche Schwierigkeiten? Sie machen schon seit so langer Zeit den Sound gemeinsam mit Miyamoto-san; da hatten Sie bestimmt schon oft Probleme.

Kondo:

Ich habe eigentlich dauernd Probleme! (lacht) Auch wenn ich selbst der Komponist eines Titels bin, mache ich mir eigentlich immer Gedanken darüber, welche Veränderungen ich im Vergleich zu vorherigen Titeln vornehmen soll und wie ich es schaffe, dass sich die Musik neu anhört.

Iwata:

Sie haben vier Titel für dieses Spiel komponiert… Wie kommt es eigentlich, dass Yokota-san zwar für den größten Teil aber nicht für den gesamten Soundtrack verantwortlich war?

Kondo:

Yokota-san war der Sound Director und er bat mich, einige Stücke zu komponieren, weil er für das Spiel auch einige Titel von mir brauchte. Also folgte ich einfach seiner Bitte und arbeitete an Stücken für die Szenen, die er von mir brauchte.

Yokota:

Wenn alle Titel von einer Person stammen, ähneln sich die einzelnen Stücke zu sehr. Wenn ein Stück, das in einem wichtigen Teil des Spiels zu hören ist, denselben Stil hat wie ein anderes Stück, das in einer anderen Szene verwendet wird, hinterlässt es beim Spieler keinen bleibenden Eindruck.

Iwata:

Sie wollten also, dass die Stücke sich voneinander unterscheiden.

Yokota:

Korrekt. Deshalb bat ich Kondo-san, an einigen Stücken zu arbeiten, da ich für bestimmte Szenen des Spiels Musik im Stile Kondo-sans verwenden wollte.

Iwata:

„Die Vorgesetzten geschickt einsetzen.“ Das ist eine großartige Tradition in unserer Firma! (lacht)

Kondo:

(ein bisschen wehmütig) Ich hatte mich darauf eingestellt, viel mehr Titel für dieses Spiel komponieren zu dürfen, aber es waren dann doch viel weniger, als ich gehofft hatte…

Yokota:

Was?!? Wieso haben Sie mir das nicht gesagt, als wir noch an dem Spiel gearbeitet haben?

Alle:

(lachen laut)

Iwata Asks
Kondo:

Aber Yokota-san hat sehr schnell gearbeitet. Er schuf einen Titel nach dem anderen und das hat mich wirklich sehr beeindruckt.

Yokota:

Da ich für die Musik des Spiels verantwortlich war, wollte ich Kondo-san nicht ständig behelligen. Habe ich Ihnen nicht auch versprochen, so viel wie möglich selbst zu erledigen und nur dann zu Ihnen zu kommen, wenn ich wirklich Schwierigkeiten hätte?

Kondo:

…Na gut, das stimmt natürlich auch.

Alle:

(lachen)

Iwata:

Aber es muss schon ein enormer Druck gewesen sein, die Verantwortung für den Sound des neusten Mario-Spiels anvertraut zu bekommen.

Yokota:

Absolut. Schließlich wollte ich deshalb sogar meinen Job an den Nagel hängen! (lacht) Mario ist schließlich das Aushängeschild der Firma Nintendo. Aber am Ende habe ich es wohl doch geschafft, die riesigen Dimensionen des Weltalls in Super Mario Galaxy zum Ausdruck zu bringen, und das war meiner Meinung nach nur durch den großartigen Klang eines Orchesters möglich.