1. Warum ein Orchester?

Iwata:

Ich befinde mich jetzt wieder im Hauptsitz der Firma in Kyoto und ich würde mich gerne mit den Mitgliedern des Teams unterhalten, das den Sound für Super Mario Galaxy erschaffen hat. Beginnen wir das Gespräch doch, indem Sie sich vorstellen. Fangen wir mit (Koji) Kondo-san an, der berühmt für seine Arbeit an zahlreichen Mario- und Zelda-Spielen ist.

Kondo:

Ich bin Kondo von der Sound Group des EAD (Entertainment Analysis and Development). Da dieses Spiel in den EAD-Büros in Tokio entwickelt wurde, war ich bei diesem Projekt hauptsächlich als Ratgeber beschäftigt, um sicherzustellen, dass der Sound das „Wesen von Mario” in sich trägt. Daneben habe ich auch vier neue Kompositionen zu diesem Mario-Spiel beigesteuert.

Yokota:

Ich bin Yokota von EAD Tokio. Ich war bei fast allen Stücken verantwortlich für die Komposition und das Arrangement. Da wir die Musik mit einem echten Orchester aufgenommen haben, war ich auch für das Musikarrangement der Orchesteraufnahmen verantwortlich.

Kawamura:

Hallo, ich bin Kawamura von EAD Tokio. Bei diesem Spiel war ich für die Soundprogrammierung und die Soundeffekte verantwortlich.

Iwata:

Yokota-san hat gerade erwähnt, dass wir ein Orchester für die Aufnahme der Musik verwendet haben.

Kondo:

Stimmt. Tatsächlich haben wir die Orchesteraufnahmen auf Video aufgenommen.

Video: Bitte sehen Sie es sich doch einmal an.

Ich befinde mich jetzt wieder im Hauptsitz der Firma in Kyoto und ich würde mich gerne mit den Mitgliedern des Teams unterhalten, das den Sound für Super Mario Galaxy erschaffen hat. Beginnen wir das Gespräch doch, indem Sie sich vorstellen.
Bitte sehen Sie es sich doch einmal an.

Iwata:

Die Musik lässt schon erahnen, dass bald ein großes Abenteuer beginnt. Diesen Ausdruck auf Miyamoto-sans Gesicht im Video sieht man bei ihm nicht sehr häufig.

Kondo:

Nach der Aufnahme hörte ich ihn sagen: „Wir haben das Richtige getan!”

Yokota:

Bei den Aufnahmen haben wir ein Orchester von etwa 50 Mann eingesetzt. Natürlich waren sie am Anfang nicht besonders gut, weil sie Musik spielten, die sie noch nie gehört hatten, und sie sahen die Noten auch zum allerersten Mal. Aber im Laufe des Tages wurde ihre Darbietung immer besser und die Aufnahmen der einzelnen Titel in ihrer endgültigen Form verliefen sehr schnell. Sogar Miyamoto-san war überrascht. Er klebte förmlich am Fenster und sah ihnen gespannt zu. Und er stellte fest: „Unglaublich, wie sich der Klang verändert!“

Iwata Asks
Iwata:

Ich bin sicher, diese Erfahrung wird sich auch in „Wii Music“ (vorläufiger Titel)1 widerspiegeln. Alles, was Miyamoto-san interessant findet, wird irgendwann seinen Weg in ein Spiel finden! (lacht) 1 „Wii Music“ (vorläufiger Titel) ist ein Spieltitel, dessen Erscheinen auf Nintendo Wii in Japan für 2008 geplant ist. Bei diesem Titel wird die Wii-Fernbedienung zum Spielen verschiedener Musikinstrumente verwendet.

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Alle:

(lachen)

Iwata:

Übrigens, wie kam es eigentlich zu der Entscheidung, ein Orchester einzusetzen?

Yokota:

Jedes Mal, wenn ich Miyamoto-san sah, fragte ich ihn: „Wie wäre es, wenn wir ein echtes Orchester spielen lassen würden?”

Iwata:

Sie haben ihn also so lange gefragt, bis er sein Okay gegeben hat! (lacht)

Yokota:

So könnte man das wohl sagen! (lacht) Es ist nicht billig, ein Orchester für Aufnahmen zu verwenden, und wir hatten auch diese grundlegende Sorge, ob ein orchestraler Soundtrack zum Stil eines Mario-Spiels passen würde. Der Sound moderner Videospiele ist von so hoher Qualität und so kristallklar, es ist fast so, als würden Sie eine Musik-CD anhören. Aber ich fragte mich schon, ob so ein Sound notwendigerweise immer zu einem Spiel passen muss.

Kondo:

Es scheint fast, als käme die Musik von einem CD-Spieler statt von der Spielkonsole und es fühlt sich fast so an, als müsse man das Spiel im Rhythmus der Musik spielen. Deshalb hat Nintendo bis jetzt nur selten ein Orchester eingesetzt.

Iwata Asks
Yokota:

Ich wollte das Orchester auch nicht zum Selbstzweck verwenden. Ich dachte, wenn das Spiel wegen seiner orchestralen Musik auch epischer wirkt, hat es doch einen gegenteiligen Effekt, wenn dadurch der Rhythmus des Spiels geopfert wird. Aber als wir ‚Music Streaming’ im Spiel einsetzten… Entschuldigung, ist allen klar, was mit ‚Streaming’ gemeint ist?

Iwata:

Sie meinen, wenn im Spiel Musik wiedergegeben wird, die nicht dem Geschehen auf dem Bildschirm angepasst ist.

Yokota:

Genau! (lacht) In diesem Spiel haben wir uns dafür entschieden, den Soundtrack einfach nebenher laufen zu lassen. Und tatsächlich unterstreicht das den Rhythmus des Spiels sogar eher und der Spieler ist in der Lage, sich besser auf das Spiel zu konzentrieren. Aber natürlich war dafür im Hintergrund eine Menge harter Arbeit erforderlich!

Iwata:

Und da kommt Kawamura-san, der Programmierer, ins Spiel. Was haben Sie getan?

Kawamura:

Bevor ich die Arbeit an Super Mario Galaxy begann, hatte ich schon mit Soundeffekten experimentiert, die automatisch synchron zur Hintergrundmusik abgespielt werden. Wie in Wind Waker2 zum Beispiel. Da wird der Soundeffekt synchron zur Musik abgespielt, wenn Sie einen Gegner treffen, oder wie in Donkey Kong: Jungle Beat, wo der Sound jedes Mal abgespielt wird, wenn der Spieler springt. In diesem Spiel wollten wir das System einen Schritt weiter führen; wir experimentierten mit dem ‚Music Streaming’. Und als wir die Orchesterdaten hatten und ins Spiel einbauten, da dachten wir: „Das funktioniert!“ 2 Wind Waker = The Legend of Zelda: The Wind Waker ist ein Action-Adventure, das in Europa im Mai 2003 für den Nintendo GameCube erschienen ist.

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Iwata Asks
Iwata:

Es gelang Ihnen also, dass das System die ‚Waveform’ des ‚Streaming-Sounds’ liest, sodass die Soundeffekte zur richtigen Zeit abgespielt werden?

Kawamura:

Oh, jetzt wird’s ein wenig technisch! Das Spiel synchronisiert MIDI3-Daten mit den Streaming-Daten und daraus wird das Timing für die Soundeffekte berechnet. Wenn Mario sich von einem Sternenring abstößt, wird der Klang einer Harfe abgespielt. Wenn Sie genau hinhören, erkennen Sie, dass dieser Sound zeitlich perfekt mit der Hintergrundmusik abgestimmt ist. Diese Technik wird allerdings nur sehr selten erkannt. 3 MIDI = Das MIDI-Format (Musical Instruments Digital Interface) erlaubt den Austausch von Sounddaten zwischen digitalen Musikgeräten, z.B. Synthesizern, Samplern und Sequencern.

Iwata:

Es klingt so, als wäre der Klang der Harfe Teil der Hintergrundmusik.

Yokota:

Um das möglich zu machen, haben wir den Mitgliedern des Orchesters wirklich viel abverlangt. Orchestermusik wird normalerweise in dem Tempo abgespielt, das wir im Studio festgelegt haben, und das ist normalerweise ein etwas anderes Tempo als das eines agierenden Mario. Ich wollte aber unbedingt vermeiden, dass die Musik vollkommen unabhängig vom Spieltempo läuft. Also verwendete ich eine Art Metronom, das exakt im Tempo des Spiels tickte und sagte zu dem Orchester: „Bitte spielen Sie genau im Rhythmus dieses Geräts!“

Iwata:

Normalerweise würde ein Orchester nie so etwas wie ein Metronom verwenden.

Yokota:

Um die Authentizität und Lebendigkeit eines Orchesters zu erhalten, verwendet man idealerweise so wenig Restriktionen dieser Art wie möglich. Aber für diese Aufnahme fanden wir Musiker, die unter den gegebenen Umständen immer noch eine optimale Leistung lieferten. Nach der Aufnahme sagten mir die Musiker: „Das hat richtig Spaß gemacht.“ Ich war wirklich erleichtert.

Iwata Asks
Iwata:

Aber nachdem Sie sich entschlossen hatten, ein Orchester einzusetzen, konnten Sie die Aufnahmen doch sicher nicht beginnen, bevor der Spielverlauf festgelegt war, oder?

Yokota:

Genau! Und das war der schwerste Teil! Vor allem, da Miyamoto-san dafür bekannt ist, in letzter Minute noch Änderungen vorzunehmen!

Alle:

(lachen)

Yokota:

Das war wirklich wie ein Drahtseilakt. Wir konnten den Termin für die Aufnahmen nicht festlegen, bis Miyamoto-san uns grünes Licht gab. Also bereiteten wir alle 28 Stücke vor und nahmen eins nach dem anderen auf, wobei wir uns jedes Mal bei ihm vergewisserten, ob die jeweilige Musik wirklich für den jeweiligen Level hundert Prozent in Ordnung war und im Spiel verwendet werden konnte.

Iwata:

Es war sicher schwierig, alle 28 Stücke zu arrangieren.

Yokota:

Es war schwierig, aber da ich nun einmal derjenige war, der darauf bestanden hatte…

Iwata:

Sie hatten darauf bestanden und Ihr Budget war bereits bewilligt, also mussten Sie sich selbst darum kümmern! (lacht)

Yokota:

Miyamoto-san hatte zu mir gesagt: „Es war wirklich schwer, dieses Budget bewilligt zu bekommen. Ich erwarte mir viel davon!“ Das war ein unglaublicher Druck für mich! (lacht)