1. Was ist das „Wesen von Mario“?

Iwata:

Nun präsentiere ich Ihnen Teil 2 von „Iwata fragt (auf Geschäftsreise)“.Dieses Mal habe ich fünf unserer jüngeren Mitarbeiter im Entwicklungsteam gebeten, an diesem Interview teilzunehmen. Wie unsere Leser freue auch ich mich darauf, zu hören, was Sie uns zu erzählen haben. Nun beginnen Sie bitte, indem Sie sich vorstellen.

Hayashida:

Ich bin Hayashida von EAD Tokio. Bei diesem Spiel war ich verantwortlich für die gesamte Levelgestaltung. Meine hauptsächliche Aufgabe bestand darin, den Spielfluss zu schaffen, wobei ich mir die Meinungen der anderen Team-Mitglieder zu Herzen nahm.

Shimizu:

Mein Name ist Hideaki Shimizu und ich arbeite bei EAD Tokio. Ich habe mich hauptsächlich um Marios Bewegungen und Animation gekümmert.

Aoyagi:

Hallo, ich bin Aoyagi von EAD Tokio. Bei diesem Mario-Spiel habe ich das Gravitationssystem entwickelt und war auch verantwortlich für die Programmierung der Gegner und Endgegner.

Shirai:

Hallo, ich bin Shirai von EAD Tokio. Meine Arbeit ähnelt der von Hayashida-san, d.h. ich war auch verantwortlich für die Levelgestaltung, jedoch habe ich mich mehr um die Details gekümmert. Ich habe die ganzen Leveldesigns eins nach dem anderen zusammengefügt und meine Aufgabe war es, sie so aufeinander abzustimmen, dass die Gestaltung insgesamt gut ausbalanciert war.

Motokura:

Mein Name ist Motokura und ich bin ebenfalls von EAD Tokio. Ich habe mich darum gekümmert, die Figurengestaltung unter Dach und Fach zu bringen. Im Wesentlichen habe ich an allem gearbeitet, was mit den Figuren zu tun hatte, wie der Spielerfigur, den Endgegnern und den Objekten.

Iwata:

Nun, was ich zuerst fragen möchte, ist, für wie viele von Ihnen war dies das erste Mario-Spiel, an dem Sie gearbeitet haben?

Iwata Asks
Aoyagi:

(hebt seine Hand) Ich bin der Einzige! (lacht)

Iwata:

Und die anderen vier haben an vorherigen Mario-Spielen gearbeitet, wie Super Mario Sunshine. Aoyagi-san, wie war es für Sie, zum ersten Mal an einem Mario-Spiel zu arbeiten?

Aoyagi:

Es versteht sich von selbst, dass die Mario-Spiele das Aushängeschild von Nintendo sind. Aber zu Beginn konnte ich gar nicht recht glauben, dass ich an einem Mario-Spiel arbeitete. Ich dachte mir: „Ich? Soll ein Mario-Spiel machen?“ (lacht)Deshalb habe ich mir immer darüber Gedanken gemacht, was eigentlich ein Mario-Spiel definiert.

Iwata:

Es gibt da diese Tradition im Zelda-Team, bei der das Team während der Entwicklung regelmäßig diskutiert, was denn das „Wesen von Zelda“ ist. Allerdings habe ich noch nicht gehört, dass das Team von Mario sich über das „Wesen von Mario“ unterhalten hätte. Also möchte ich Sie fragen, Hayashida-san, als jemanden, der bereits an Mario gearbeitet hat, was macht Ihrer Meinung nach das „Wesen von Mario“ aus?

Hayashida:

Nach dem, was ich von (Shigeru) Miyamoto-san gehört habe, unterscheiden sich das „Wesen von Mario“ und das „Wesen von Zelda“ überhaupt nicht voneinander und der einzige Unterschied besteht in der grundsätzlichen Richtung, die die Spiele beschreiten. Als ich das hörte, war es ein regelrechter Schock für mich! (lacht)

Iwata Asks
Iwata:

Im Zelda-Teil der ersten „Iwata fragt“-Interviews1 hat Miyamoto-san über so etwas gesprochen. 1 Der Zelda-Teil der „Iwata fragt“-Interviews ist eine Serie von Interviews, die auf der Nintendo Internet-Seite veröffentlicht wurden.

Hayashida:

In meinen Gesprächen mit Koizumi-san, dem Director, kamen wir immer wieder darauf zurück, wie wichtig es sei, dass sich ein Mario-Spiel gut spielen lassen, gut anfühlen muss. Das „Wesen von Mario“ liegt darin, dass die Spieler ein Mario-Spiel immer als eine „neue Art von Spielzeug“ empfinden.Ich glaube außerdem, dass Mario-Spiele Markentitel darstellen, die das Metier Videospiel repräsentieren. Wenn wir ein neues Mario-Spiel entwickeln, wird es von den Kunden heiß erwartet, daher wusste ich, dass wir die Tradition der Mario-Spiele aufrechterhalten mussten. Gleichzeitig mussten wir auch neue Spielweisen einbauen. In diesem Sinne muss man viele Schwierigkeiten bewältigen, wenn man an einem Titel wie diesem arbeitet.

Iwata:

Es gibt eine Menge Traditionen, denen Sie treu bleiben mussten, und gleichzeitig mussten Sie neue Ideen einbringen. Es muss schwierig gewesen sein, die rechte Balance zwischen den beiden zu finden.Shimizu-san, Sie haben sich um Marios Bewegungen gekümmert, was ist Ihre Meinung zu dieser Frage?

Shimizu:

Ich glaube, bei Mario läuft es letzten Endes immer aufs Springen hinaus.Man schreibt alle möglichen Programme bei der Entwicklung eines Spiels, aber das Schwierigste von allen hat zu tun mit dem Springen. In diesem Spiel kann Mario auf mehr als zehn Arten springen und die Sprünge variieren alle, je nachdem wie man Mario steuert. Daher glaube ich wirklich, der Kern des Spiels liegt im Wesentlichen im Springen.

Iwata Asks
Iwata:

Shirai-san, was denken Sie? Sie waren verantwortlich für die Levelgestaltung.

Shirai:

Als ich Super Mario Bros. das erste Mal gespielt habe, war ich in der 4. Klasse. Es hat so viel Spaß gemacht; ich erinnere mich, dass ich das Spiel nur nach Instinkt gespielt habe, ohne über irgendetwas nachzudenken. Während ich spielte, tauchten unablässig Hindernisse und Gegner auf, und als ich dachte, das schaffe ich nie im Leben...

Iwata:

…da hörten Sie eine Stimme: „Komm schon, noch einmal!“, wie die von einem Sportlehrer, und Sie haben immer weitergemacht! (lacht)

Shirai:

Ja, genau! (lacht)Ich wollte, dass die Menschen, die dieses Spiel spielen, denselben Drang verspüren, es immer und immer wieder zu versuchen. Ich wusste, dass es bei Mario-Spielen extrem wichtig ist, die ideale Balance des Schwierigkeitsgrads zu finden, eine Balance, die den Spieler zufrieden stellt. Die Spieler können leicht herausfinden, was sie tun müssen, um einen Level zu meistern, aber sie werden Schwierigkeiten dabei haben, die notwendigen Aktionen tatsächlich auszuführen. Sie werden viele Versuche brauchen, bis sie den Level tatsächlich gemeistert haben.

Iwata:

Also ist das Spiel nicht so schwierig, dass man gleich aufgeben will, aber auch nicht zu einfach. Sie sagen, dass das Spiel fein ausbalanciert werden musste.

Shirai:

Das, denke ich, ist es, was das Wesen von Mario ausmacht. Man weiß, was man tun muss, aber wie man so spielt, übt man versehentlich zu viel Druck auf den Daumen aus und macht einen Fehler. Aber dann denkt man eben: „Da war ich selbst schuld.“ Deshalb will man es dann noch einmal versuchen.

Iwata Asks
Iwata:

Dieses Gefühl kenne ich gut! (lacht)Wenn bei Mario-Spielen etwas nicht so läuft, wie der Spieler will, denkt er, selbst schuld zu sein, und nicht die Entwickler des Spiels. Motokura-san, was sagen Sie als Designer dazu?

Motokura:

Vom Standpunkt des Designers aus gesehen, hat mir Miyamoto-san einmal gesagt, dass ein Design „funktional sein muss“. Designer neigen dazu, mit der Gestaltung der Figuren zu beginnen, aber Miyamoto-san zufolge führt das dazu, dass man „ihre Funktion aus dem Auge verliert“.

Iwata Asks
Iwata:

In Mario-Spielen tauchen Schildkröten auf, bei denen offensichtlich ist, dass man sich an ihnen wehtun wird, wenn man im Spiel auf sie tritt. Ist es die Art von funktionalem Design, die Sie meinen?

Motokura:

Richtig, daher habe ich während des Gestaltungsprozesses darüber nachgedacht, wie ich zum Beispiel Stacheln unterbringen könnte.

Iwata:

Das ist die typische Denkweise, die nur von Miyamoto-san kommen kann, da er sich während seines Studiums mit Industriedesign2 beschäftigt hat. Sie meinen, dass die Form der Funktion gerecht werden muss. 2 Industriedesign ist eine angewandte Kunst, die sich mit Funktion und äußerem Design von Industrieprodukten beschäftigt.

Motokura:

Ich hatte ursprünglich dieses Bild in meinem Kopf von einem Charakter, von dem ich glaubte, er sei „Mario“. Als ich jedoch Mario meinem Bild entsprechend zu zeichnen versuchte, sah er einfach nicht richtig aus. Ich versuchte Charaktere zu kombinieren, die schon in früheren Serien aufgetaucht waren, aber die sahen auch nicht richtig aus. Also entschied ich mich, damit zu beginnen, die Funktionen des Charakters zu studieren, indem ich intensiv die neuen Charakterkonzepte betrachtete. Es wurde viel einfacher, den Charakter zu zeichnen, als ich es auf diese Weise versuchte. Und es mag vielleicht seltsam klingen, wenn ich als derjenige, der sie gestaltet hat, das sage, aber es gibt einen gemeinsamen Aspekt der Gegner-Charaktere: Sie existieren nur, um von Mario besiegt zu werden.

Alle:

(lachen)

Motokura:

Diese Gegner müssen auch entsprechend den Leveln gestaltet werden, in denen sie vorkommen. Egal wie gut ein Gegner-Charakter gestaltet sein mag, er wirkt fehl am Platz, wenn er sich nicht gut in seine Umgebung einfügt. Indem man also die Gegner in Areale des Spiels platziert, die zu ihrem Design passen, sind sie mehr als bereit dafür, von Mario besiegt zu werden.