2. Der König der tragbaren Spielzeuge

Iwata:

Während Rot und Grün langsam immer beliebter wurden, kamen jede Menge Pokémon-Ablegerprodukte auf den Markt. Nach und nach erschienen verschiedene lizenzierte Produkte, wie z.B. die Sammelkarten9, aber es wurde auch eine Zeichentrickserie10 ausgestrahlt und es gab sogar einen Film11 dazu. Zu dieser Zeit haben Sie wöchentlich ein Meeting abgehalten, Mr. Ishihara, bei dem Sie die lizenzierten Produkte besprochen haben. 9Im Oktober 1996 erschien ein Sammelkartenspiel aus dem Pokémon-Universum, bei dem die Spieler gegeneinander antreten, und Karten sammeln und tauschen können.10TV Tokyo strahlte ab April 1997 eine Zeichentrickserie in Japan aus, in der es um die Abenteuer von Satoshi ging, der Pokémon-Meister werden wollte. Die Figur Satoshi heißt in Europa Ash Ketchum.11Der erste Pokémon-Film ("Pokémon - Der Film") lief im Juli 1998 in Japan an.

Ishihara:

Das war das Copyright-Meeting. Erst gab es jede Woche zwischen 10 und 20 neue Vorschläge für verschiedene Produkte. Wir haben sie immer auf einem großen Tisch im Konferenzraum ausgelegt...

Morimoto:

Aber es hat nicht lange gedauert, bis wir keinen Platz mehr auf dem Tisch hatten... (lacht)

Iwata:

Ich hatte ja die Gelegenheit, an einigen dieser Copyright-Meetings teilzunehmen, und ich war wirklich überrascht. Mr. Ishihara, Sie haben die Produkt-Vorschläge ja nicht einfach wie am Fließband angenommen oder abgelehnt, sondern sogar alle möglichen spezifischen Empfehlungen ausgesprochen, wie bestimmte Dinge sein sollten... Es hat mich tief beeindruckt, als Sie gesagt haben: "Die Leute müssen uns davon überzeugen, dass dieses Produkt den Pokémon-Namen tragen soll."

Ishihara:

Ja, das hab ich wohl gesagt.

Iwata:

Sie haben nicht einfach Pokémon-Bildchen auf verschiedene Produkte geklebt, sondern immer gesagt: "Ich möchte wissen, warum dieses Pokémon auf dem Produkt zu sehen sein soll." Und wenn es wirklich mal an Ideen gefehlt hat, haben Sie die Leute außerdem dazu gebracht, sich sofort neue Dinge einfallen zu lassen. Ich weiß noch, dass ich es für eine übermenschliche Leistung hielt, das wirklich jede Woche durchzuhalten. Wenn man normalerweise regelmäßig dasselbe macht, gewöhnt man sich irgendwann daran und kann sich nicht mehr so gut darauf konzentrieren. Aber bei Ihnen ist das anders, Mr. Ishihara. Wenn mich die Leute fragen, wie Mr. Ishihara so ist, sage ich deshalb auch: "Er ist eine sehr außergewöhnliche Person, weil er sowohl Konzentration als auch Ausdauer hat." (lacht) Und das sage ich häufig.

Ishihara:

(lacht)

Iwata:

Mir ist noch etwas anderes im Kopf geblieben. Ich erinnere mich daran, dass wir alle, die Creatures, Inc. mitgegründet haben, Mr. Ishihara immer den "König der tragbaren Spielzeuge" nannten. (lacht) Wissen Sie das noch?

Ishihara:

Ja, klar. (lacht) So haben Sie mich genannt.

Iwata:

Tja, Sie haben so ein umfangreiches Interesse und so eine Begeisterung für tragbare Spielzeuge, also auch elektronische Spiele, dass Sie diesen Namen unserer Meinung nach einfach verdient hatten.

Iwata Asks
Ishihara:

Na ja, ich mag tragbare Sachen einfach schon immer - Sachen, die kompakt genug sind, um sie mitzunehmen, und die man nach dem eigenen Geschmack gestalten kann. Im besten Fall kann man die Sachen dann auch noch mit den Freunden tauschen, so dass beide sich darüber freuen. So werden diese Objekte auch zu Kommunikationsmitteln, und ich habe schon immer den großen Wunsch, so ein Produkt herzustellen. Und wenn man über diesen Wunsch nachdenkt, merkt man...

Iwata:

...dass das die perfekte Definition für Pokémon ist! (lacht)

Ishihara:

Genau! (lacht) Es ist die perfekte Beschreibung von Pokémon, oder - so könnte man es auch sehen - eine perfekte Beschreibung des Nintendo DS. Das trifft besonders auf den Nintendo DSi zu, den man ja so gestalten kann, dass er wirklich "Mein DS" wird. Außerdem hat er eine ganze Reihe von Kommunikations-Hilfsmitteln und viel Platz für Erweiterungen. Man kann diese Hilfsmittel immer weiter verbessern und das Gerät so lange erweitern, bis es eine neue Entwicklungsstufe erreicht. Ich finde, solche Elemente sind das Wichtigste, deshalb halte ich Pokémon und den DSi für die ultimativen "Könige der tragbaren Spielzeuge."

Iwata:

Sie haben gerade den Begriff "ultimativ" benutzt, und ich glaube, dass Gold und Silber12 schon vom Namen her als die ultimativen Pokémon-Spiele gedacht waren. 12 und , in denen Pokémon mit unterschiedlichen Farben auftauchen, erschienen am 21. November 1999 in Japan. Sie waren auch kompatibel mit dem Game Boy Color.

Iwata Asks
Ishihara:

Das stimmt. Nach der Veröffentlichung von Rot und Grün fingen wir mit der Arbeit an diesen Titeln an, weil wir dachten, dass nur Gold und Silber die ultimativen Pokémon-Spiele sein könnten.

Iwata:

Und Sie haben absolut nicht damit gerechnet, dass Sie nach Gold und Silber noch weitere Spiele entwickeln würden. (lacht)

Ishihara:

Ich habe so viele Produkte lizenziert und Dinge wie das Sammelkartenspiel entwickelt, weil ich dafür sorgen wollte, dass Gold und Silber erfolgreich sein würden. Ich hatte das Gefühl, dass das meine Hauptaufgabe war. Zu der Zeit habe ich gedacht, dass meine Arbeit an Pokémon nach dem Erscheinen von Gold und Silber beendet sein würde.

Iwata:

Ach ja?

Ishihara:

Für mich waren Gold und Silber die Ziellinie.

Iwata Asks
Iwata:

Wieso die Ziellinie?

Ishihara:

Ich hatte nicht vor, noch weitere Pokémon-Titel zu entwickeln. Ich habe sogar gedacht, dass es nach Anbruch des 21. Jahrhunderts Zeit für mich wäre, etwas ganz Anderes auszuprobieren. (lacht)

Iwata:

(lacht)

Ishihara:

Ich wollte die optimalen Voraussetzungen für die Veröffentlichung von Gold und Silber schaffen. Deshalb war ich anfangs auch gegen die Zeichentrickserie...

Iwata:

Wieso das denn?

Ishihara:

Tja, nachdem ich vorher alle möglichen Daten studiert hatte, stellte ich fest, dass Zeichentrickserien im Fernsehen normalerweise nicht lange laufen. Selbst wenn eine Serie anläuft, die auf einem Videospiel basiert, läuft sie normalerweise nur sechs Monate oder höchstens ein Jahr.

Iwata:

Es wäre katastrophal gewesen, wenn die Serie schon vor dem Erscheinen des Spiels abgesetzt worden wäre.

Ishihara:

Das stimmt. Die Zeichentrickserie lief im April 1997 an und wenn sie vor 1998 abgesetzt worden wäre, was hätten wir dann tun sollen? Wir hatten Gold und Silber ja so entwickelt, dass sie 1998 auf den Markt kommen würden.

Iwata:

Aber Sie haben Gold und Silber auch nicht rechtzeitig fertig gestellt, oder? (lacht)

Ishihara:

Das ist richtig. (lacht) Wir haben direkt nach der Veröffentlichung von Rot und Grün mit der Arbeit an Gold und Silber begonnen, und als wir große Schritte bei der Entwicklung machten, kam Mr. Tajiri plötzlich zu uns und sagte: "Wir sind fertig!" Ich wunderte mich, dass es doch so schnell gegangen war, und fragte ihn, was fertig geworden ist. Er antwortete: "Wir sind fertig mit 'Blau13'!" (lacht)

Alle:

(lachen) 13, eine Variante von Rot und Grün mit anderem Farbkonzept, erschien am 15. Oktober 1996 als limitierte Edition, bevor es am 10. Oktober 1999 als reguläre Version erschien.

Iwata Asks
Iwata:

Dabei haben Sie eigentlich auf Gold und Silber gewartet? (lacht)

Ishihara:

Und danach haben wir Pikachu14 gemacht... (lacht) 14 ist - wie Blau - eine Version von Rot und Grün mit einem anderen Farbkonzept, aber es gab dabei auch noch einige aufwertende Zusatzfeatures. Man konnte z.B. die eigenen Pokémon beim Herumlaufen sehen. Das Spiel wurde parallel zum Filmstart am 12. September 1998 veröffentlicht.

Iwata:

Richtig. (lacht)

Ishihara:

Ich sagte: "Jetzt haben wir auch noch Gelb!?" (lacht)

Iwata:

Pikachu hat wirklich Spaß gemacht, aber weil alle auf Gold und Silber gewartet haben, können Sie sich ja vorstellen, dass manche Leute dachten: "Vielleicht ist es keine gute Idee, jetzt auch noch Gelb herauszubringen."

Ishihara:

In dem Jahr sollten ja immerhin auch noch Gold und Silber auf den Markt kommen.

Iwata:

Genau.

Iwata Asks
Ishihara:

Zu diesem Zeitpunkt traf ich die Entscheidung, dass es keinen Sinn machte, etwas zu überstürzen, deshalb sagte ich Sachen wie: "Jetzt können wir auch gleich noch Pokémon Pikachu15 machen." (lacht) 15Pokémon Pikachu ist ein Pikachu-Schrittzähler, der am 27. März 1998 erschien. Je mehr Schritte man damit gemacht hatte, desto zufriedener wurde Pikachu. Außerdem gab es zusätzliche Mini-Spiele.

Iwata:

Da haben Sie doch wieder gezeigt, dass Sie den Titel "König der tragbaren Spielzeuge" mit Recht tragen! (lacht)

Alle:

(lachen)

Iwata Asks