2. Die Geburt von ''Theatrhythm''

Iwata:

Ich finde ja, in der Spielentwicklung arbeiten zwei Arten von Leuten: In die erste Kategorie fallen diejenigen, die schon immer kreativ waren – beim Zeichnen, Programmieren oder was auch immer – und die dann zur Entwicklung wechseln und sich von da hocharbeiten.

Hazama:

Ja, stimmt.

Iwata:

Und dann gibt es da diejenigen, die in völlig verschiedenen Bereichen arbeiten und dann irgendwie bei Spielen landen – und dabei nutzen sie ihre Erfahrungen aus diesen anderen Bereichen für sich. Ich gehöre definitiv zur ersten Kategorie, aber ich habe so den Eindruck, dass Sie eher der zweiten zuzurechnen sind ...

Hazama:

Absolut. Ich habe mich schon immer für Spiele interessiert und habe ja auch nicht in einem gänzlich anderen Bereich gearbeitet, aber es hat trotzdem eine Weile gedauert, bis ich den Sprung gemacht habe.

Iwata:

Es gibt viele Leute, die gerne Spiele erstellen würden, aber glauben, nicht das dazu notwendige Talent zu besitzen, und die deshalb auch nicht wissen, wie sie anfangen sollen. Ich finde, Sie sind ein großartiges Beispiel dafür, dass es sich lohnen kann, sich anzustrengen und hart zu arbeiten, bis sich eine Chance ergibt.

Hazama:

Ja. Dieses Gespräch hat mich wieder daran erinnert, wie viel Respekt ich für die Leute habe, die tatsächlich Spiele erstellen. Das wird jetzt vielleicht falsch verstanden, aber ich halte sie irgendwie für verrückt ...

Iwata:

Für verrückt auf eine gute Weise, meinen Sie?

Hazama:

Ja. Irgendwie stehen sie ja nackt und exponiert vor der ganzen Welt. Alles, was sie lieben, alles woran sie glauben – sie entblößen ihr Innerstes vor der Welt und kriegen dafür manchmal ganz schön eins aufs Dach. Aber sie lächeln, halten es aus und machen weiter. Das erfordert echte Überzeugung. Und selbst unter Spielentwicklern gibt es nur wenige, die absolute Standfestigkeit beweisen und die Sache bis zum Ende durchziehen. Wie gesagt – ich habe enormen Respekt vor ihnen.

Iwata Asks
Iwata:

Was war denn Ihr erstes Projekt, als Sie auf die kreative Seite gewechselt sind?

Hazama:

Wenn Sie damit etwas meinen, das auf meinem Mist gewachsen ist, dann ist THEATRHYTHM FINAL FANTASY mein erstes.

Iwata:

Das ist also Ihr Debütprojekt als Urheber?

Hazama:

Ja. Ich habe an Projekten wie „Final Fantasy VII: Advent Children“5 gearbeitet, aber da waren Mr. Nomura als Regisseur, (Takeshi) Nozue6 als Co-Regisseur und (Kazushige) Nojima7 als Drehbuchautor beteiligt, und so hatte ich eher eine untergeordnete Rolle. 5 „Final Fantasy VII: Advent Children“ war ein abendfüllender CGI-Film, eine Fortsetzung von „Final Fantasy VII“, der in Japan im September 2005 herauskam.6 Takeshi Nozue erstellt Spiele für Square Enix und ist der Co-Regisseur von „Final Fantasy VII: Advent Children“. Er hat seit „Final Fantasy IX“ die Erstellung aller Filme der Final-Fantasy-Serie geleitet.7 Kazushige Nojima ist Autor von Spielszenarien. Zwar hat er Square Enix verlassen, doch arbeitet er über sein Unternehmen Stellavista weiterhin mit Square Enix an der Final-Fantasy-Serie.

Iwata:

Wie haben Sie sich bei der Arbeit mit all diesen Spielentwicklern, die Sie so bewundern, gefühlt? Und wie haben Sie Ihre eigene Rolle gesehen?

Hazama:

Um es mal etwas großspurig zu sagen: Meine Rolle sah ich darin, nicht nur den Endverbraucher zufriedenzustellen, sondern auch diejenigen, die das Spiel erstellten.

Iwata:

Sie meinen, Sie wollten ihnen vermitteln, dass sie gute Arbeit machten, damit sie ihre nächsten Aufgaben in Angriff nehmen konnten?

Hazama:

Genau. Aber bei „Advent Children“ passierte am Ende genau das Gegenteil.

Iwata:

Wie das?

Hazama:

Na ja, ich habe das erst später erfahren, aber anscheinend wirkte ich in den zwei Wochen vor der Veröffentlichung sehr nervös. Das lag wahrscheinlich nur daran, dass ich frustriert war, dass es nichts mehr für mich zu tun gab. Ich hatte aber dauernd das Gefühl, dass ich etwas tun müsste. Nomura, Nozue und all die anderen versuchten ständig, mich zu beruhigen: „Es ist alles gut! Es wird sich gut verkaufen!“ (lacht) Eigentlich wäre es natürlich meine Aufgabe gewesen, ihnen das zu sagen!

Iwata:

Am Ende wurden Sie von den Leuten unterstützt, die Sie Ihrer Meinung nach hätten unterstützen sollen?

Hazama:

Ja! Ich hatte wahrscheinlich einfach Angst – ich war noch nie zuvor in dieser Position gewesen.

Iwata:

Aber offenbar waren Sie in der Lage, den großen Respekt und die Bewunderung, die Sie für diese kreativen Köpfe hegen, für sich zu nutzen. Wenn ich Sie so über Ihre Erfahrungen sprechen höre, wird mir zumindest teilweise klar, aus welcher Richtung THEATRHYTHM FINAL FANTASY gekommen sein muss.

Hazama:

Da könnten Sie recht haben. Ich schätze, es gibt eine Verbindung.

Iwata:

Da bin ich mir sicher. Nur jemand, der wirklich begreift, wie die Musik und Grafik der FF-Serie Menschen bewegen können, und nur jemand, der die Leute, die diese Serie erschaffen haben, versteht und respektiert, kann ein solches Projekt verwirklichen.

Hazama:

Ich habe das Projekt tatsächlich zum ersten Mal vorgeschlagen, nachdem wir „Advent Children“ gerade fertiggestellt hatten.

Iwata:

Man könnte also sagen, dass Ihre Arbeit an einem Projekt, das die Bedeutung von Klang und Filmkunst in der FF-Serie hervorhebt, direkt zu THEATRHYTHM FINAL FANTASY geführt hat?

Hazama:

Ja, ich denke schon. Ursprünglich hatte ich vor, das Spiel für Nintendo DS zu machen, aber dann hätten so viele Kompromisse bei der Speicherkapazität und der Präsentation gemacht werden müssen, dass diese Idee nie über das Planungsstadium hinausgekommen wäre. Als ich dann den Nintendo 3DS sah, war mein erster Gedanke: „Ha! Jetzt ist es möglich!“

Iwata:

Wirklich? (lacht)

Hazama:

Ich bin sofort zu den Entwicklern von Indies Zero8 gerannt, und wir haben dann einen Vorschlag ausgearbeitet, den wir Mr. Nomura vorlegten. Er hat sich noch am selben Tag bei uns gemeldet. Er fand den Vorschlag interessant und hat uns grünes Licht gegeben. Und so ging es dann los mit der Entwicklung. 8 Indies Zero ist eine Spielproduktionsfirma, die 1997 gegründet wurde. Daran waren hauptsächlich Mitglieder eines von Nintendo und Dentsu ins Leben gerufenen Personalentwicklungsprojekts beteiligt.

Iwata:

Vielleicht ist das eine blöde Frage, aber wenn man ein Produkt erstellt, das die gesamte FF-Serie umspannt, muss man doch wahrscheinlich auch mit vielen weiteren wichtigen Leuten innerhalb und außerhalb des Unternehmens sprechen – außer Mr. Nomura, meine ich. (lacht)

Iwata Asks
Hazama:

In der Tat! (lacht) Wir hatten wahnsinnig viel Glück – tatsächlich haben die Schöpfer all dieser legendären Titel das Spiel selbst gespielt.

Iwata:

Ach ja, das war in dem

Video: „They Played it!“

Ich finde ja, in der Spielentwicklung arbeiten zwei Arten von Leuten: In die erste Kategorie fallen diejenigen, die schon immer kreativ waren – beim Zeichnen, Programmieren oder was auch immer – und die dann zur Entwicklung wechseln und sich von da
„They Played it!“ 9-Video zu sehen, nicht wahr? 9 „They Played it!“ war ein Werbevideo, das auf der Nintendo 3DS-Konferenz 2011 vorgestellt wurde. Darin waren die „Väter“ der Final-Fantasy-Serie (einschließlich Hiromichi Tanaka, Akitoshi Kawazu und Yoshinori Kitase) beim Spielen von „Theatrhythm“ zu sehen.

Hazama:

Genau. Wir hatten natürlich schon vorher alles mit ihnen geklärt, aber das fühlte sich dann wirklich an, als bekämen wir das endgültige Gütesiegel.

Iwata:

So etwas Ähnliches habe ich erlebt, als ich an „Super Smash Bros.“10 gearbeitet habe. Ich kann also gut nachfühlen, wie es Ihnen ergangen ist. (lacht)10 „Super Smash Bros.“ ist ein Mehrspieler-Kampfspiel, das 1999 für Nintendo 64 erschien.

Iwata & Hazama:

(beide lachen)

Hazama:

Wirklich!?

Iwata:

Das war eine ganz schön riskante Sache! (lacht) Ich musste mir wirklich gut überlegen, was ich tat, bevor es losging – ich musste dazu jeden einzelnen Gefallen einfordern, den ich mir je aufgespart hatte!

Hazama:

Da bin ich sicher! Aber ich muss zugeben, ich habe nicht selbst mit (Hironobu) Sakaguchi11 und (Nobuo) Uematsu12 gesprochen. Wir haben eine E-Mail an Mr. Uematsu gesendet, um ihn über unseren Plan zu informieren, aber wir haben nie selbst mit ihm gesprochen. 11 Hironobu Sakaguchi ist der Urheber des Originalspiels „Final Fantasy“. Er verließ Square Enix 2001, um sein eigenes Unternehmen Mistwalker zu gründen.12 Nobuo Uematsu ist der Komponist der Musik zu „Final Fantasy“ und vielen anderen RPGs.

Iwata:

Aber wenn Sie Mr. Uematsu gesagt hätten, für wie ungeheuer wichtig Sie Musik in diesem Titel halten, hätte er doch mit Sicherheit Ja gesagt, oder? Mich würden ja die Reaktionen der „Väter“ dieser Serie interessieren, die in dem Video nicht zu sehen waren.

Hazama:

Ich glaube, sie haben eine recht väterliche Einstellung gegenüber der Serie, und ich hoffe, ich irre mich nicht, wenn ich sage, dass sie uns in unserem Vorhaben unterstützen würden.

Iwata:

Ich bin überzeugt, sie alle lieben es! (lacht) Und ich bin sicher, dass Ihr Respekt und Ihre Bewunderung für die Serie in allen Aspekten sichtbar sind. Sie vertrauen Ihnen, dass Sie ihr Baby mit Umsicht behandeln.

Hazama:

Das hoffe ich! Darüber wäre ich sehr, sehr froh. Unser Hauptziel war es, etwas zu erschaffen, das allen gefällt. Und ich persönlich bin extrem zufrieden damit.