2. Ausflüge in andere Städte, um zu verstehen

Iwata:

Wie sind Sie zu Videospielen gekommen, Mr. Ikeda?

Ikeda:

Hallo, ich bin Kohei Ikeda, der Produzent dieses Spiels. Ich hatte in der Grundschulzeit meine ersten Videospiele-Erfahrungen. Das Spiel „Super Mario Bros."6 kam auf den Markt, ich bin fast ausgerastet und brachte meine Eltern so dazu, es mir zu kaufen. Aber wir hatten leider keinen zweipoligen VHF-Konverter. Ich erinnere mich noch, dass ich loszog und selber einen kaufte. 6Super Mario Bros.: Ein Actionspiel, welches im November 1985 in Japan für das NES erschienen ist.

Iwata:

So viel Ärger haben Sie schon als Erstklässler gemacht?

Ikeda:

Ja. Ich hatte zwar einige Hilfe, erinnere mich aber noch gut an den Moment, als ich es an unseren Fernseher anschloss. Ich war so aufgeregt, dass ich vor Freude aufschrie. Es hat mich so beeindruckt, wie ich Mario auf dem Bildschirm bewegen konnte.

Iwata:

Zu dieser Zeit haben viele Leute ihre ersten Erfahrungen damit gemacht, etwas auf dem Bildschirm mit einer Art Fernbedienung in Bewegung zu versetzen.

Ikeda:

Richtig. So fing es auch bei mir an, dass ich mich für Videospiele begeisterte. Ich begann, gegen meine Freunde zu spielen. Es hat so großen Spaß gemacht, die Charaktere so zu bewegen, wie ich es wollte. Als ich in der sechsten Klasse war, lud mich ein Freund in die Spieleabteilung eines Kaufhauses ein, wo wir dann „Street Fighter II"7 spielten. Die Idee, sich gegenüber zu stehen und gegeneinander anzutreten, war absolut innovativ. 7Street Fighter II: Ein Kampfspiel, das als Arcade-Spiel von CAPCOM Co., Ltd. im Jahr 1991 veröffentlicht wurde.

Iwata:

Es war eine absolut einzigartige Erfahrung, sich mit einem Feind zu duellieren.

Ikeda:

Ja. Ich schlenderte zwischen den Leuten entlang, die spielten, und sah ihnen mit verschränkten Armen zu. Wenn man gewann, durfte man weiterspielen. Ich wollte also unbedingt richtig gut werden. Es war ein komplett neues Gefühl, mit seinem Gegner in einem Videospiel kommunizieren zu können.

Iwata Asks
Iwata:

Es fühlte sich an, als ob die Regel, dass der Gewinner weiterkommt, ganz natürlich auf den Plan kam.

Ikeda:

Das stimmt. Als ich als Teenager begann, in Spielhallen zu gehen, waren Spielhallen allein schon so ein aufregender Ort, an dem man an jeder Ecke etwas Besonderes erleben konnte. Ungefähr zu dieser Zeit kam „Virtua Fighter 2"8 heraus, was mich für Kampfspiele begeistert hat. Ich war noch in der Schule, übte aber viel, so dass ich in der Lage war, auch die Erwachsenen zwischen 20 und 40 schlagen zu können. 8Virtua Fighter 2: Ein Kampfspiel, dass für 1994 als Arcade-Spiel von der SEGA Corporation veröffentlicht wurde.

Iwata:

Ein Schüler schlägt einen Erwachsenen in einem Videospiel?!

Ikeda:

Das ist richtig. Wir lernten einander also kennen, gingen gemeinsam etwas essen oder unterhielten uns. Ich hatte jede Menge Spaß ... Nach einiger Zeit unterhielten wir uns: „Hey, es könnte noch bessere Spieler als uns in anderen Städten geben. Lass es uns herausfinden!" An den Wochenenden waren wir dann mit dem Auto auf Tour.

Iwata:

Klingt aufregend! Sie haben Ausflüge in andere Städte gemacht? (lacht)

Ikeda:

Ja. Diese Erfahrungen haben mich zu dem gemacht, der ich heute bin. Es war eine so große Erfahrung, die Möglichkeit zu haben, mit Leuten zusammen zu sein, die ich noch nicht kannte. Wenn wir die Information hatten, dass jemand wirklich Gutes kommen würde, warteten wir auf ihn und dachten: „Okay, treffen wir uns zu dieser oder jener Zeit in der Spielhalle!" (lacht)

Iwata:

Oh, ein Duell? Sie gingen hin und kämpften mit jedem, wie im Kampfsport?

Ikeda:

Ja, aber ich verlor circa 30 Spiele in Folge. (lacht) Anschließend sagten mir die Leute: „Du wirst besser, wenn du es so oder so machst." Oder: „Versuch es mal so, das ist cool!" Ich hatte die Möglichkeit mich mit ihnen auszutauschen. Das ist die schönste Begleiterscheinung von Kampfspielen und führte auch dazu, dass ich Spielhallen zu lieben begann. Ich wollte irgendwie daran teilhaben.

Iwata:

Ausflüge in andere Städte ... die Herausforderung wartet überall! Sie sind wahrhaftig mit Kampfspielen aufgewachsen.

Iwata Asks
Harada:

Spiele so erleben zu können, obwohl man noch in der Schule ist, ist so aufregend, dass man sich kaum bremsen kann.

Ikeda:

Ja, genau, ich konnte nicht an mich halten. (lacht) Nach meinem Abschluss an der weiterführenden Schule war gerade die 3D-Ära im Kommen. Ich ging also auf eine Berufsschule für Videospiele und studierte 3D-Grafik und Animation. Zu dieser Zeit war ich gerade von der „Virtua Fighter"-Serie gefesselt. Es gab damals eine berühmte Spielhalle in der Stadt Machida. Also mietete ich mir da eine Wohnung.

Iwata:

Was? Sie entschieden sich in Machida zu wohnen, weil es dort eine Spielhalle gab?

Ikeda:

Das ist richtig. (lacht) Meinen Eltern erzählte ich von all dem natürlich nichts.

Iwata:

Kampfspiele hatten in Ihrem Leben wohl die größte Priorität. (lacht)

Ikeda:

Es war eine wirklich berühmte Spielhalle, in die alle möglichen Leute kamen. Ich hatte jeden Tag sehr viel Spaß. Ich hatte einen Teilzeitjob bei Enterbrain9 und nahm Combos10 für Tekken auf. Nach meinem Berufsschulabschluss bekam ich dort auch einen Job. Ich habe dort ungefähr sechs Jahre als Direktor eines Magazins gearbeitet, welches mit einer DVD namens „Monthly Famitsu Wave"11 erschien. Mein Job waren Planung und Videos. 9Enterbrain, Inc.: Hauptsitz in Chiyoda Ward, Tokio. 10Combo: Kombinationsbewegungen in Kampfspielen. In der „Tekken"-Serie können Spieler bis zu zehn Bewegungen am Stück machen, indem sie die Knöpfe in der richtigen Reihenfolge drücken. 11Monthly Famitsu Wave: Ein monatlich erscheinendes Magazin mit DVD. Es wurde von Enterbrain, Inc. herausgegeben. Das Magazin erschien zwischen 1998 und 2011.

Iwata:

Wenn es um die Magie von Videospielen geht, liegt der Schwerpunkt bei den Bildern.

Ikeda:

Ja. Ich wusste, wie man etwas Interessantes für die Spieler erschaffen kann. Von diesem Blickwinkel profitiert meine Arbeit heute immer noch, glaube ich.

Iwata:

Haben Sie während Ihrer Zeit bei „Monthly Famitsu Wave" auch Mr. Harada kennen gelernt?

Ikeda:

Ja. Ich habe einmal ein Interview mit ihm gemacht. Und weil ich „Tekken“ so gern mag, habe ich ein Projekt ins Leben gerufen, das „Tekken: Defeat 100 Enemies" hieß, um für das Spiel die Werbetrommel zu rühren. Ich nahm einen Würfel, ließ diesen entscheiden, wo ich beginnen sollte, und verbrachte dann zwei Stunden in jeder Spielhalle, um zu sehen, ob ich 100 Spiele an einem Tag gewinnen könnte.

Iwata Asks
Iwata:

Sie sind also gegen Leute angetreten, die zufällig dort waren?

Ikeda:

Ja. Das ist die Realität! Ich ging in die Spielhallen und trat gegen sie an.

Harada:

Das Video war großartig. Jeder aus dem Entwicklungsteam war begeistert, als wir es uns ansahen.

Ikeda:

Ich habe erst später davon erfahren. Es hat mich wirklich glücklich gemacht.

Iwata:

Ob es nun die Ausflüge sind, von denen Sie vorhin berichtet haben, oder die Duelle ... Alles ist so voller menschlicher Dramen. Sie beide lieben das Spielen so sehr, dass es Ihr wahres Motiv zu sein scheint, Menschen zu finden, denen es ebenso geht. Sie zwei ähneln sich wirklich sehr. (lacht)

Iwata Asks
Ikeda:

Wenn ich ihn so reden höre, scheinen wir wirklich viel gemeinsam zu haben.

Iwata:

Also, Mr. Ikeda, wie kam es schlussendlich dazu, dass Sie zum „Tekken“-Team gestoßen sind?

Ikeda:

Als wir die DVD für „Tekken 5“12 machten, verfolgten wir die Idee, berühmte Spieler aus Japan und Südkorea einander gegenüberzustellen. Wir gingen also in eine Spielhalle in Südkorea. Drei Spieler sind für Südkorea angetreten, drei weitere repräsentierten Japan und über 60 südkoreanische Zuschauer waren dort, als wir filmten. Man kann also wirklich sagen, dass wir nicht unbedingt einen Heimvorteil hatten. 12 Tekken 5: Ein Kampfspiel, welches im November 2004 als Arcade-Spiel und im März 2005 für Heimkonsolen auf den Markt kam.

Iwata:

Sie sind in feindliche Gebiete vorgedrungen.

Ikeda:

Genau. Ich erinnere mich daran, dass die Atmosphäre während des Spiels sehr angespannt war. Es war wie in Fußball- oder Baseballspielen, wenn Japan gegen Südkorea spielt. Nach dem Wettkampf waren wir allerdings wie eine große Familie, gingen zusammen essen und spielten „Tekken“ in der Spielhalle. Und obwohl wir nicht die gleiche Sprache beherrschten, bemerkte ich, dass Kampfspiele dem Sport sehr ähnlich sind und man auf der ganzen Welt darüber kommunizieren kann. Etwa zu dieser Zeit hat NAMCO nach neuen Mitarbeitern gesucht. Die Chance nutzte ich. Ich hatte das Gefühl, als ob all meine Projekte und Ausflüge sich in „Tekken" vereinten.