3. Bei Null beginnen

Iwata:

Woran haben Sie gedacht, als Sie die Arbeit an "Monster Hunter Tri" aufgenommen haben?

Tsujimoto:

Das Timing war gut, um etwas zu wagen und von Grund auf zu gestalten. Ich habe mit Mr. Fujioka an der Heimkonsolen-Serie zusammengearbeitet, es kam uns aber vor, als ob wir das Ende erreicht hätten. Also haben wir uns entschieden, alles zu verwerfen, was wir bis dahin etabliert hatten, sogar das Spielsystem.

Iwata:

Sie wollten nicht einfach nur eine Erweiterung des bestehenden Materials herausbringen?

Tsujimoto:

Auf keinen Fall. Wir wollten etwas riskieren und Ideen von Grund auf einbauen. So sehr hatten wir das Gefühl, dass wir bestimmte Grenzen erreicht hatten.

Iwata:

Die Herausforderung lag also darin, was man denn tun sollte, wenn man sich entschieden hat, bei Null zu beginnen und etwas gänzlich Neues schaffen möchte. Hat Sie das nicht beunruhigt?

Fujioka:

Wir waren unglaublich beunruhigt. Seitdem wir anfingen an "Monster Hunter" zu arbeiten, hatten wir mit allen möglichen Personen zu tun und wir haben einen guten Kontakt zu unseren Spielern. Viele von ihnen sagen, das Spiel könnte viel besser sein. Wir haben uns selbst auch häufig während der Arbeit an der Serie gefragt, ob wir manches nicht anders hätten machen sollen. Es wäre aber schwierig gewesen, wenn wir dasselbe Gerüst verwendet hätten wie in vorherigen Spielen.

Iwata:

Um das zu erreichen - was Sie schon immer wollten, was Ihnen aber nicht möglich war - blieb Ihnen nichts anderes übrig als bei Null anzufangen.

Tsujimoto:

Es gab auch einen anderen Grund dafür. Man sagt oft, sogar bei Filmen, dass der dritte Teil der Serie immer schwierig ist. Wir hatten deshalb das Gefühl, wenn wir herausfinden, was wir im dritten Spiel noch machen könnten...

Iwata:

Wäre das schicksalsträchtig für die ganze Serie?

Tsujimoto:

Genau das habe ich gedacht. Ich wollte, dass "Tri" auch Leute, die die Serie gut kennen, richtig überrascht und sie denken lässt "Das ist unglaublich!" und "Wie aufregend!"

Fujioka:

Also haben wir uns entschieden, den Denkprozess von Grund auf neu aufzurollen. Es war keine leichte Aufgabe, aber wir haben sie mit jeder Menge Motivation angepackt. Wir hatten unheimlich viel Spaß daran, alle Dinge nacheinander neu zu gestalten. Für diese harte Arbeit wurden wir reichlich belohnt.

Iwata:

Obwohl Sie den Inhalt des Spiels von Grund auf neu formuliert haben, haben Sie sich für die Wii als Plattform entschieden.

Tsujimoto:

Die Tatsache, dass die Wii auf den Markt kam, als wir darüber nachdachten, "Monster Hunter" neues Leben einzuhauchen bzw. von Grund auf zu ändern, stellte sich als das bestmöglichste Timing heraus. Wir waren uns sicher, dass wir durch die Spielsteuerung die Aufregung neu entfachen könnten, und wir fanden diese Herausforderung spannend. Deshalb haben wir uns entschieden, die Welt für das neue "Monster Hunter" für die Wii zu entwerfen. Es ist natürlich eine Fortsetzung, wir haben sie aber mit einem frischen Ansatz angepackt, so als ob wir ein neues Spiel machen würden.

Fujioka:

Am Anfang wollten wir aber nur ein Gefühl für die Plattform entwickeln. Wir wussten nicht viel über die Hardware der Wii-Konsole und wir hatten keine Ahnung, wie viel damit möglich war.

Iwata:

Bei einer Hardware, mit der man vertraut ist, entwickelt man schnell ein Gefühl, was man benötigt, um einen bestimmten Effekt zu erzielen. Man weiß auch, was nicht möglich ist.

Fujioka:

Auch deshalb waren wir so beunruhigt. Dennoch hatten wir das Gefühl, dass wir etwas Neues aufbauen. In so mancher Hinsicht erlebten wir deshalb eine positive Aufregung.

Iwata:

Was haben Sie gedacht, als Sie die Wii-Konsole zum ersten Mal ausprobiert haben? Ich kann mir beispielsweise vorstellen, dass Sie als erstes bezüglich der Optik gedacht haben, dass da nicht viel zu machen ist.

Fujioka:

Ja. Um ehrlich zu sein...

Iwata:

Bitte, seien Sie ehrlich! (lacht)

Fujioka:

(lacht) Die Grafik ist nicht der stärkste Punkt der Wii, also...

Iwata:

Also wäre es schwer, Spieler nur mit der Grafik zu überraschen.

Fujioka:

Ich glaube, gute Grafik ist ein unglaublich attraktiver Aspekt von Videospielen. Noch bevor man anfängt, ein Spiel zu spielen, weiß man im Allgemeinen, wie es aussieht.

Iwata Asks
Iwata:

Deshalb wollen alle eine überzeugende Grafik.

Fujioka:

Als es also – hohe Auflösung und andere Details beiseite – darum ging, beeindruckende Optik zu bieten, dachte ich, es würde eine Herausforderung werden, kein Kompromiss. Ich entschied mich daher, die Grenzen der Konsolenfunktionen zu überschreiten und trieb die Programmierer und Designer dazu an, neue Bilder zu entwerfen.

Iwata:

Sie meinen damit neue Bilder, die dem Stil von "Monster Hunter" treu sind.

Fujioka:

Richtig. Außerdem glaube ich, das Wichtigste in puncto Grafik ist, welche Art von Bildern der Designer zum Leben erwecken möchte. Es ist egal, wie gut eine Hardware ausgestattet ist, wenn der Designer eine klare Vorstellung davon hat, welche Art von Bildern er darstellen möchte und sich hart auf seine Arbeit konzentriert, dann erreicht er es, davon bin ich überzeugt.

Iwata:

Nun ja, die bloßen Fähigkeiten zu besitzen, es zu schaffen, ist eine Sache. Erfordert diese Art von Arbeit aber nicht jede Menge Urteilsvermögen?

Fujioka:

Ja. Es trifft zwar nicht nur auf die Wii zu, aber die Welt von "Monster Hunter" funktioniert nicht so, dass man einfach Beliebiges hineinwirft. Die Einschätzung, was dazu passt, und was man lieber lassen sollte, war äußerst notwendig. Designer haben oft einen starken Drang, alle möglichen Dinge einzubauen, um eine aufregende Grafik zu bieten. Manchmal musste ich sagen: "Die Optik ist hier nicht wichtig. In diesem Spiel ist sie an anderer Stelle wichtiger" und überzeugte sie, etwas beiseite zu lassen. Auf der anderen Seite wollten die Programmierer an bestimmten Punkten Einschränkungen einbauen, und auch da musste ich intervenieren: "Nein, wir können hier keine halbe Sachen machen, aber an dieser Stelle können wir sicher einige Einschränkungen einbauen." Wir mussten das richtige Gleichgewicht finden.

Iwata:

Das war also Ihre Aufgabe, Mr. Fujioka?

Fujioka:

Überwiegend, ja.

Iwata:

Sie konnten Ihre Stärken als Designer ebenfalls einsetzen.

Fujioka:

Ich habe sie ohne Ende genervt, dann konnten sie nicht anders als zu sagen: "Nun ja, wenn der Director darauf besteht, bleibt uns wohl keine andere Wahl." (lacht)

Iwata:

(lacht)

Fujioka:

Natürlich war es nicht einfach, alle Komponenten zu erstellen. Wir waren aber fest entschlossen, die Optik so zu gestalten, dass man übergangslos zwischen Land und Wasser hin- und hergehen konnte. Wir haben gemerkt, dass wir es schaffen könnten. Gerade deshalb bin ich überzeugt, dass es uns gut gelungen ist. Solche Hindernisse zu überwinden, hat das Selbstvertrauen des Teams gestärkt.

Iwata:

Ähm, hierzu muss ich Ihnen etwas sagen.

Iwata Asks
Fujioka:

Ja?

Iwata:

Ich kann Ihnen sagen, die Kollegen bei Nintendo wurden durch Sie motiviert.

Fujioka:

(lacht)

Iwata:

Ich erkenne, dass sie das Gefühl haben, dass Sie etwas geschafft haben, was ihnen nicht gelungen ist. Außerdem ist der Enthusiasmus, den Sie in Ihre Arbeit stecken, auch in der Grafik sichtbar.

Fujioka:

Ich bin sehr erfreut, das von Ihnen zu hören. (lacht) Großartige Grafik zu bieten, war eines unserer Hauptziele bei der Arbeit an "Monster Hunter Tri" für die Wii. Atemberaubende Optik war eines der ursprünglichen Verkaufsargumente von "Monster Hunter". Um ehrlich zu sein, als wir uns entschieden haben, "Tri" für die Wii herauszubringen, waren einige Spieler beunruhigt, wie viel wir visuell herüberbringen könnten. Wir waren der Meinung, wir hätten erst dann Erfolg, wenn diese Leute denken: "Oh, es ist total gelungen!"