1. Alle Mann antreten

 

Hinweis: Dieses Interview fand im September 2008 statt, kurz nach der Veröffentlichung von "Jam with the Band" in Japan.

Iwata:

Danke, dass Sie sich zu dieser ungewöhnlichen Sitzung von 'Iwata fragt' bereiterklärt haben. Ich würde unseren Lesern gerne einige Reaktionen auf "Jam with the Band" näher bringen, die es nach der Veröffentlichung gab. Deshalb gibt es heute eine zweite 'Iwata fragt'-Sitzung zu einem Titel, der schon erschienen ist. Das reicht bestimmt als Einleitung, also fangen Sie doch bitte einfach an, Mr. Nishita.

Nishita:

Natürlich. Ich bin Mr. Nishita vom 'Software Development & Design Department' in der 'Software Planning & Development Division'. Bei diesem Projekt habe ich nicht hier gearbeitet, wo das Spiel entwickelt wurde. Bei "Jam with the Band" können die Nutzer bis zu 100* ihrer Lieblingssongs herunterladen, und auch nicht nur solche Songs, die wir bei Nintendo vorbereitet haben. Ein Merkmal des Spiels ist es, dass auch Musik, die von Nutzern geschrieben und dann an uns übermittelt wurde, ausgewählt werden kann. Zu meinen Aufgaben gehörte die Zusammenarbeit mit JASRAC1 und Nippon Broadcasting System, um für eine reibungslose Verwaltung des Systems zur Einreichung eigener Musik und zum Herunterladen von Songs zu sorgen. 1JASRAC (Japanese Society for Rights of Authors, Composers and Publishers) ist eine Gesellschaft, die die Rechte von Song-Textern, Komponisten und Musik-Publishern vertritt. Sie überwacht die Lizenzierung von Musik an Verbraucher, erhebt Nutzungsgebühren und zahlt sie an die Künstler aus. Außerdem unterstützt sie die Förderung der Musik-Kultur.*Hinweis: In der europäischen Version von "Jam with the Band" hat der Spieler 50 vorinstallierte Songs zur Auswahl (in der japanischen Version waren es bei der Erstveröffentlichung 31 Songs) und kann weitere 50 Songs über Nintendo Wi-Fi Connection herunterladen. Außerdem ist genug Platz für 100 weitere Songs, die von Spielern erstellt und gespeichert oder über drahtlose DS-Datenübertragung getauscht worden sind.

Iwata Asks
Iwata:

Mr. Nishita, im ersten "Band Brothers2"-Spiel haben Sie hier die Leitung der Software-Entwicklung übernommen. Als Producer gehörte diesmal die Koordination mit JASRAC und Nippon Broadcasting System zu Ihren Hauptaufgaben, nicht wahr? 2Mit dem "ersten 'Band Brothers'-Spiel" ist "Daigasso! Band Brothers" gemeint; ein Titel, der zur Veröffentlichung des Nintendo DS im Dezember 2004 erschienen ist. Er wurde nie außerhalb Japans veröffentlicht.

Nishita:

Richtig. Bei diesem Titel wollte ich die eigentliche Entwicklung des Spiels Ms. Kitamura überlassen.

Iwata:

Können Sie uns ein wenig dazu erzählen, was direkt nach der Veröffentlichung von "Jam with the Band" so passiert ist?

Nishita:

Sobald "Jam with the Band" erschienen ist, wurde auch Musik hochgeladen. An dem Donnerstag, an dem das Spiel herauskam, und dem Freitag darauf, haben wir die erwartete Anzahl an Beiträgen erhalten. Das war ein guter Start und ich freute mich auf ein schönes ruhiges Wochenende. Aber dann…

Iwata:

Im Lauf des Wochenendes geschah etwas ziemlich unerwartetes, nicht wahr?

Nishita:

Am Samstag erhielten wir unglaublich viele Beiträge. Es war wie eine Flutwelle von Liedern und es wurden einfach nicht weniger. Deshalb habe ich am Sonntagmorgen eine Nachricht von Ihnen erhalten, Mr. Iwata: "Alle Mann antreten!"...

Iwata:

Ich war zuhause und habe alles im Auge behalten. Wenn wir die Lieder weiter so wie am Anfang geprüft hätten, hätte es bald ein oder zwei Monate gedauert, bis ein hochgeladener Song veröffentlicht worden wäre. Die Nutzer machten so begeistert ihre Beiträge, dass wir sie nicht so lange warten lassen konnten.

Iwata Asks
Nishita:

Aber es erfordert viel Mühe, selber Musik zu schreiben und das kann wirklich nicht jeder. Daher waren wir davon ausgegangen, dass wir nicht mehr als 100 Lieder pro Tag prüfen müssten, und unser System war auf diese Annahme ausgerichtet.

Kitamura:

Aber allein an dem Wochenende haben wir über 1.000 Beiträge erhalten.

Nishita:

Und es hat damit ja nicht aufgehört, Montag ging es genauso weiter. Uns wurde klar, dass wir so nicht weitermachen konnten.

Iwata:

Wir entschieden uns, sofort ein Notfallsystem einzusetzen bis das Prüfungssystem wieder planmäßig lief, und mobilisierten viele Nintendo-Mitarbeiter aus den Sound-Abteilungen, die die Beiträge bewältigen sollten.

Nishita:

Das war eine große Hilfe für uns...

Iwata:

Es hat sich allerdings schon auf die Arbeit an der Musik für andere Spiele ausgewirkt! (lacht)

Nishita:

Dafür möchten wir uns natürlich entschuldigen...

Iwata:

Wenn wir schon beim Thema sind, vielleicht könnten Sie uns kurz erklären, wie die Prüfung jetzt vorgenommen wird, Mr. Nishita?

Nishita:

Der Prüfungsprozess besteht aus drei Schritten. Den ersten Schritt übernimmt automatisch der Computer.

Kitamura:

Hochgeladene Songs, die nicht bei der JASRAC* registriert sind, oder die den falschen Produkt-Code* haben, werden automatisch abgelehnt. *Hinweis: Bei der europäischen Version von "Jam with the Band" hat Nintendo einen Nutzungsvertrag mit EMI Music Publishing Europe Ltd. geschlossen, und nicht mit der JASRAC. Deshalb sind die Song-Melodien, die man herunterladen kann, auch Versionen von Liedern, an denen EMI die Rechte hat. Außerdem gibt es auch urheberrechtsfreie Versionen von Klassikern, sowie Nintendo-Titelmelodien.*Die europäische Entsprechung für die JASRAC-Registrierungsnummern sind die "Song-Codes". Der Song-Code für die Lieder kann in der "Nintendo Musik-Datenbank" auf der offiziellen Nintendo Europa-Webseite zu "Jam with the Band" nachgesehen werden. Alle Einreichungen, die nicht den korrekten Song-Code haben oder nicht auf Songs basieren, die in der Nintendo Musik-Datenbank enthalten sind, werden automatisch abgelehnt.

Nishita:

Beim nächsten Schritt unterstützt uns das Nippon Broadcasting System bei der Überprüfung der Songs. Es gibt zu viele Lieder auf der Welt, es kann also niemand alle Songs erkennen, die eingereicht werden. Deshalb zählen wir auf die Genre-Experten des Nippon Broadcasting System, um zu erfahren, ob der Original-Song präzise genug umgesetzt wurde. Die überprüfen die Songs, indem sie sie tatsächlich einfach anhören*. *Hinweis: Für die europäische Version des Song-Prüfungsprozesses wird die Prüfung komplett von Nintendo of Europe in Zusammenarbeit mit externen Spezialisten durchgeführt.

Kitamura:

Nippon Broadcasting System hat ein sehr großes CD-Archiv.

Iwata Asks
Nishita:

Die Experten holen sich den Original-Song aus dem CD-Archiv und vergleichen ihn mit dem eingereichten Song, bevor sie entscheiden, ob er angenommen oder abgelehnt wird. Dann gehen wir zum dritten Schritt über, der letzten internen Überprüfung bei Nintendo.

Kitamura:

Wir prüfen den Liedtext auf Tippfehler und solche Dinge, laden dann den Song auf unseren Server, und dann steht er für den ersten Download bereit.

Iwata:

Der zweite und dritte Schritt erfordern viel Personalaufwand, deshalb dauern sie auch ziemlich lange, oder?

Nishita:

Das stimmt. Außerdem war eh immer viel Austausch mit Nippon Broadcasting System nötig, weil man ja ein Arrangement gestalten muss, wenn man bei "Jam with the Band" einen Song erstellt, und das musste auf die richtige Atmosphäre überprüft werden. Das hat einfach viel Zeit in Anspruch genommen.

Kitamura:

Und dann wurden auch noch manche Songs hochgeladen, die nicht im CD-Archiv waren. Dann mussten wir die neuen CDs kaufen. Es kam aber auch mehrfach vor, dass die CDs einfach schon älter und nicht mehr erhältlich waren.

Nishita:

Ms. Kitamura und ihr Team waren übrigens für den dritten Schritt - die letzte Prüfung - verantwortlich.

Kitamura:

Wir waren eigentlich nur die 'Handlanger'3 für die Leute, die die Songs einreichten. 3’Handlanger’ nannte 'Barbara die Fledermaus' (eine Figur aus der Software) ihre Mitarbeiter in dem Comic, der auf der Webseite für das erste "Daigasso! Band Brothers"-Spiel veröffentlicht wurde.

Alle:

(lachen)

Iwata Asks
Iwata:

Das war eine anstrengende Zeit für das "Jam with the Band"-Team, nicht wahr? Alles war so hektisch. Für andere Leute sah es wahrscheinlich so aus, als ob Sie ein wildes Festival veranstalten würden, und ich habe einige Leute sagen hören: "Wirklich schade, dass ich keine Zeit für das Festival habe." (lacht)

Kitamura:

Wenn man Schreie gehört hat, waren es sicher Freudenschreie. Wir bekamen immer mehr Einreichungen und es war zwar harte Arbeit, sie alle zu überprüfen, aber sie waren auch alle so hochwertig. Außerdem gab es so viele Lieder, die mit Liebe zur Musik gestaltet waren. Ich wollte die Leute nicht enttäuschen, die Songs hochgeladen hatten, deshalb war ich sogar froh, als das Notfallsystem eingesetzt wurde.

Iwata Asks
Iwata:

Was war insgesamt die höchste Anzahl von Songs, die zur Überprüfung anstanden?

Nishita:

Das müssen ca. 2.500 gewesen sein. Aber weil bei Nippon Broadcasting System mehr Leute eingestellt wurden und sich alle so angestrengt haben, wurde es am Ende ruhiger.

Iwata:

Übrigens, wenn man die Liste der verfügbaren Download-Songs anschaut, sieht man, dass manchmal verschiedene Versionen desselben Lieds gesammelt und hochgeladen worden sind.

Nishita:

Da wollten wir effizient vorgehen. Meistens gab es einfach so viele Songs zu überprüfen, dass wir manchmal verschiedene Versionen desselben Songs gesammelt und dann gemeinsam überprüft haben.

Kitamura:

Wir wurden auch von den Nutzern dazu angehalten, unterschiedliche Versionen eines Songs zu sammeln und zusammen zu veröffentlichen. Wahrscheinlich weil sie die Versionen selber anhören und vergleichen wollten, bevor sie sich für einen Download entscheiden konnten.

Iwata:

Ich verstehe. Was machen Sie denn eigentlich mit neuen Songs? Auch nach dem Erscheinen von "Jam with the Band" sind natürlich immer weiter Lieder veröffentlicht worden.

Nishita:

Also, aus "Ponyo das verzauberte Goldfischmädchen"* haben wir z.B. Lieder erhalten, bevor der Film überhaupt angelaufen ist. *Hinweis: "Ponyo das verzauberte Goldfischmädchen" ist ein äußerst erfolgreicher japanischer Animationsfilm, der 2008 von Stufio Ghibli in Japan veröffentlicht wurde.

Kitamura:

Und so konnten wir schon an dem Tag die Songs zum Download anbieten, als auch der Film angelaufen ist.

Iwata:

Ihr 'Handlanger' habt ja wirklich hart gearbeitet, das muss man schon sagen! (lacht)

Iwata Asks
Kitamura:

Aber auch als Lieder zu Ponyo eingereicht wurden, warteten natürlich viele Songs auf ihre Prüfung...

Nishita:

Also haben wir einen Gang hochgeschaltet und die Prüfung beschleunigt.

Iwata:

Aber das heißt nicht, dass Sie andere Songs aufgeschoben haben, um sich erst um Ponyo zu kümmern, oder?

Kitamura:

Wir halten uns immer genau an die Reihenfolge der Einreichung. (trocken) Das ist eine Grundregel für uns Handlanger.

Iwata:

Barbara ist also auch bei der Prüfungsreihenfolge sehr streng, nicht wahr, Ms. Kitamura?

Kitamura:

Jawohl. (lacht)