5. Gehirn-Jogging vs. Diabolisches Gehirn-Jogging

Iwata:

Sie haben gesagt, dass Sie insbesondere jungen Leuten Diabolisches Gehirn-Jogging ans Herz legen möchten. Was sind die Gründe dafür? Die Idee hinter Gehirn-Jogging war doch, dass das Gehirn mit dem Alter zwar schwächer wird, man jedoch clever altert, wenn man das Gehirn regelmäßig stimuliert.

Kawashima:

Nun, dazu sollte ich zunächst die Unterschiede zwischen dem vorigen Gehirn-Jogging-Titel und dem neuen Titel – Diabolisches Gehirn-Jogging – erklären. Während Gehirn-Jogging dafür konzipiert wurde, die Verarbeitungsgeschwindigkeit des Kurzzeitgedächtnisses des Nutzers11 zu erhöhen, ist es das Ziel von Diabolisches Gehirn-Jogging, die Kapazität des Kurzzeitgedächtnisses zu erhöhen.

Junge Menschen haben eine unglaublich schnelle Verarbeitungszeit. Mit zunehmendem Alter fängt diese aber plötzlich an, langsamer zu werden. Darum ist es so wichtig, die Verarbeitungsgeschwindigkeit von älteren Menschen zu verbessern. Bei jungen Menschen ist die Verarbeitungsgeschwindigkeit bereits schnell. Dennoch lässt sie sich immer noch steigern, wenngleich das Verbesserungspotential hier geringer ist. 11 Nicht mit allen Aufgaben von Gehirn-Jogging sollte die Verarbeitungsgeschwindigkeit des Kurzzeitgedächtnisses beschleunigt werden. Bei diesem Titel sind Aufgaben zum Trainieren der Verarbeitungsgeschwindigkeit als „Diabolisches Zusatztraining“ gekennzeichnet, während die anderen Aufgaben unter dem Titel Gehirn-Jogging zu finden sind.

Iwata:

Ich verstehe.

Kawashima:

Auch die Kapazität des Kurzzeitgedächtnisses nimmt mit zunehmendem Alter ab. Dennoch ist der Unterschied zwischen älteren und jüngeren Menschen nicht so eklatant. In der Psychologie wird oft behauptet, dass man sich bis zu sieben Dinge auf einmal merken kann.

Iwata:

Wurde das nicht auch oft als Grund dafür angeführt, dass die Telefonnummern siebenstellig sind?

Kawashima:

Ja, das stimmt. Sowohl junge Leute als auch Menschen zwischen 60 und 70 Jahren können sich bis zu sieben Dinge auf einmal merken. Jüngere Menschen merken sich für gewöhnlich sieben, acht oder neun Dinge, während sich ältere Menschen sieben, sechs oder fünf merken können – der Unterschied ist nicht so groß. Durch das Training kann jedoch ein Vielfaches davon erzielt werden. Bei den „n-back“-Aufgaben erinnern sich die durchschnittlichen Probanden nur noch an die beiden letzten Aufgaben. Durch das Training kann diese Erinnerungsfähigkeit jedoch auf das Zehnfache gesteigert werden.

Iwata Asks
Iwata:

Auf das Zehnfache?!

Kawashima:

Ja. Erhöht man die Anzahl der Dinge, die man im Kopf behalten kann, dann eröffnet sich einem eine Vielzahl an Möglichkeiten. Und während sich die Kurzzeitgedächtnisse von jungen und älteren Menschen im Allgemeinen nicht nennenswert unterscheiden, ist dieses Gedächtnis doch stark erweiterungsfähig. Und insbesondere jüngere Menschen profitieren am meisten davon.

Iwata:

Dr. Kawashima, wenn Sie sich vor Augen führen, dass Sie Diabolisches Gehirn-Jogging ja zum Teil für sich selbst geschaffen haben, dann kann ich mir vorstellen, sich wünschten sich, schon früher auf die Idee dazu gekommen zu sein.

Kawashima:

Das hätte ich mir in der Tat gewünscht. Das Verbesserungspotential ist so groß, dass ich mir sicher bin, heute irgendwo anders zu sein, hätte ich diese Software bereits in jüngeren Jahren verwendet.

Iwata:

Beinhaltet das Kurzzeitgedächtnis nicht noch viel mehr, als die Stellen einer Telefonnummer, die man sich merken kann? Menschen mit einem umfassenden und effizienten Kurzzeitgedächtnis unterscheiden sich doch nicht nur dadurch von Menschen mit einem kleineren, weniger effizienten Kurzzeitgedächtnis, dass sie mehr Informationen auf einmal behalten können. Es gibt doch auch Unterschiede in Bezug auf die Entscheidungsfindung nach der Versuchs- und Irrtumsmethode und auf das wirkungsvolle Kombinieren von Dingen. Daher unterscheiden sich die Menschen doch auch dadurch voneinander, wie tiefgründig und detailliert sie innerhalb einer vorgegebenen Zeit über eine Sache nachdenken können, gleichgültig über wie viel Wissen sie verfügen.

Kawashima:

Das stimmt. Vielleicht können sich die Leser dieses Interviews das Konzept leichter anhand eines Computersystems vorstellen.

Iwata:

Genau.

Kawashima:

Gehirn-Jogging erhöht die Taktfrequenz12 und beschleunigt die Verarbeitung. Im Vergleich dazu erhöht Diabolisches Gehirn-Jogging die RAM13-Größe des Computers. Ohne ausreichend RAM, stürzt der Computer ab, ganz gleich wie schnell sein Prozessor ist. Er kann einfach nicht alle Informationen in sich aufnehmen. Ich bin mir sicher, Mr. Iwata, dass Sie beim Spielen von Diabolisches Gehirn-Jogging gespürt haben, dass Sie selbst innerlich abgestürzt sind und sich Ihr interner Speicher verflüchtigt hat.14 (lacht)12 Die Taktfrequenz bezeichnet das Tempo, mit dem die CPU die Befehle abarbeitet Je höher die Taktfrequenz, desto höher ist die Rechenleistung des Computers. 13 RAM steht für ’Random Access Memory’, der Datenspeicherung von Computern. 14 Ein Speicher, der sich verflüchtigt, raucht ab und verschwindet.

Iwata:

Die n-back-Aufgaben, die wir bereits angesprochen haben, erscheinen in der Software unter dem Namen „Diabolisches Zahlenmerken“.

Video: Diabolisches Zahlenmerken

Sie haben gesagt, dass Sie insbesondere jungen Leuten Diabolisches Gehirn-Jogging ans Herz legen möchten. Was sind die Gründe dafür?
Sie lösen die Rechenaufgaben in der Reihenfolge, wie diese erscheinen. Neu ist jedoch, dass Sie die Lösung zu einer Aufgabe aufschreiben sollen, die sich auf die vorletzte Aufgabe oder eine beliebige davor angezeigte Aufgabe bezieht. Man muss sich die Zahlen also im Kopf merken. Werden Sie bei diesem Training aber von jemandem unterbrochen, ist Ihr Kopf völlig leer. Und wenn Ihr Gedächtnis dann ins Wanken gerät, fällt es augenblicklich auseinander. Hierzu bedarf man einer weit größeren Konzentration als im täglichen Leben. Daher ist das ein sehr intensives fünfminütiges Training.

Iwata Asks
Kawashima:

Ja. Da haben Sie absolut Recht. Ich glaube, ich bin mir zum ersten Mal in meinem Leben bewusst geworden, dass mein Gedächtnis einfach ausgelöscht wurde. Man hat etwas im Kopf und dann ist es ganz plötzlich verschwunden!

Iwata:

Eigentlich verschwinden mehrere Gedanken auf einmal und später erinnert man sich an keinen einzigen davon! (lacht) Das ist ein ganz einzigartiges Gefühl.

Kawashima:

Genau wie bei einem flüchtigen Speicher!15 (lacht) Genau wie beim RAM, kann man Informationen nicht ewig speichern. Mit Diabolisches Gehirn-Jogging lässt sich Ihr Speicher aber dahingehend erweitern, dass das Gedächtnis besser funktioniert15 Flüchtiger Speicher bezieht sich auf einen bestimmten Typ von Halbleiterspeicher, dessen Inhalt beim Ausschalten des Computers verschwindet.

Iwata:

Selbst wenn man alle Zahlen ordentlich im Kopf aufgereiht hätte, würden diese einfach überschrieben, sobald jemand anfängt zu sprechen. Ist das nicht auf mangelnden Speicherplatz zurückzuführen?

Kawashima:

Ganz genau. Steht Ihnen genügend Speicherplatz zur Verfügung, können Sie die Zahlen weiter verarbeiten, ohne dabei ins Straucheln zu kommen, selbst wenn Sie jemand anspricht. Auch ältere Computer waren nicht in der Lage zur Parallelverarbeitung. Heute, wo diese mehr RAM haben, ist das kein Problem mehr. Unsere Gehirne sind also so wie die alten Computer: Nach dem Training mit Diabolisches Gehirn-Jogging fühlt es sich jedoch so an, als hätte Ihr Gehirn ein Upgrade zu einem moderneren Betriebssystem erhalten!