2. Von Vorsicht zu Vertrauen

Iwata:

Mr. Yamagami, in welchem Stadium hat Ihnen Monolith Soft das Konzept für Xenoblade Chronicles gezeigt?

Yamagami:

Das war, bevor die Entwicklung von Disaster: Day of Crisis in die Endphase ging. Der Geschäftsführer von Monolith Soft, Mr. (Hideyuki) Sugiura5, sagte mir, sie hätten ein neues Projekt in der Pipeline. Und bevor ich mich versah, wurde mir das Modell gezeigt. 5 Hideyuki Sugiura ist der Representative Director von Monolith Soft. Nachdem er bei Square (jetzt Square Enix), wo er eine Reihe von Funktionen innehatte, u. a. auch die des Produzenten, in den Ruhestand ging, gründete er 1999 gemeinsam mit Tetsuya Takahashi Monolith Soft.

Iwata:

Sie befanden sich also gerade an einem kritischen Punkt bei Disaster: Day of Crisis. Das war vielleicht nicht gerade der beste Zeitpunkt für neue Vorschläge. Und da wurden Sie plötzlich wie aus heiterem Himmel mit diesem Modell konfrontiert. Was war Ihr erster Eindruck?

Yamagami:

Nun, zu diesem Zeitpunkt fing ich gerade an, darüber nachzudenken, was für ein Titel nach Disaster kommen sollte. Der Zeitpunkt war also eigentlich recht gut gewählt. Ich fühlte mich auch ziemlich motiviert, als ich das Modell sah. Ich ging fest davon aus, dass auch die Details bereits abgestimmt waren, wenn sie sich schon die Mühe gemacht hatten, das Modell zu erstellen. Aber dann stellte sich heraus, dass das Modell alles war, was es bis dahin gab.

Iwata:

(lacht) Mr. Takahashis Vorgehensweise besteht oft darin, auf einem Bild aufbauend ein Projekt zu erstellen, nicht wahr?

Takahashi:

Genau.

Yamagami:

Mir war nicht klar, dass dies seine Vorgehensweise bei der Spielerstellung war. Daher war ich zunächst etwas bestürzt, als mir klar wurde, dass abgesehen von dem Modell noch nichts festgelegt war. Aber dennoch war das Modell allein schon sehr beeindruckend. Wenn man mal davon absieht, dass bis dahin noch nichts festgelegt war, was Spielsystem oder Story anging, erfüllte mich allein der Anblick des Modells mit Energie, und ich dachte: „Auch jetzt in diesem Stadium habe ich richtig Lust, ein Spiel daraus zu machen.“

Iwata Asks
Iwata:

Natürlich kam Mr. Yamagami sofort danach zur mir und sprach mit einer seltsamen Leidenschaft über dieses Projekt, bei dem doch fast noch gar nichts entschieden war. (lacht)

Yamagami:

Ja, das stimmt. (lacht) Daher wollte ich unbedingt, dass das Szenario und die wichtigsten Elemente des Spielsystems sofort festgelegt würden, bevor wir in die Prototyp-Phase kamen. Aber da die Entwicklung von Disaster noch in vollem Gange war, war es einfach nicht an der Zeit, mit Plänen für ein neues Projekt zu kommen.

Takahashi:

Wenn man ein Projekt ernsthaft starten will, ist es ideal, die Pläne gemeinsam mit den anderen Teammitgliedern aufzustellen. Aber da diese mit anderen Projekten beschäftigt waren, waren unsere Möglichkeiten begrenzt.

Yamagami:

Daher verstrich eine ganze Menge Zeit, ohne dass wirklich konkrete Pläne geschmiedet wurden, obwohl das Modell bereits in einer frühen Phase erstellt worden war.

Iwata:

Wann begannen Sie mit der Arbeit an der Prototyp-Version?

Yamagami:

Wir begannen im April 2007, an der Prototyp-Version zu arbeiten. Zu dieser Zeit gewann ich auch Mr. Yokota und Ms. Hattori von der Abteilung Software Planning & Development für dieses Projekt. Mr. Yokota war ein richtiger RPG-Experte, und ich bat ihn, sich insbesondere der systemspezifischen Probleme anzunehmen, während dieser sich auch gemeinsam mit Mr. Kojima von Monolith Soft um die Gesamtleitung des Projekts kümmerte. Ms. Hattori hatte Erfahrung im Schreiben von Szenarien für Nintendo-Titel. Also bat ich sie, mal einen Schritt zurückzutreten und einen objektiven Blick auf das Szenario zu werfen, das Mr. Takahashi und Mr. (Yuichiro) Takeda6 geschrieben hatten. 6 Yuichiro Takeda ist ein Autor für Szenarien, der zusätzlich zu seiner Arbeit an animierten Features auch das Szenario für Xenosaga I & II für den Nintendo DS erstellt hat. Er wird in Iwata Fragt: Xenoblade Chronicles, Folge 2: Story interviewt.

Iwata:

Mr. Yokota, was war Ihr erster Eindruck von Monolith Soft?

Yokota:

Nun, ich war schon immer ein großer Fan ihrer RPGs, wie Xenogears7 und Xenosaga8, also dachte ich: „Endlich begegne ich mal Mr. Takahashi!“ (lacht) 7 Xenogear ist ein RPG, das 1998 von Square (jetzt Square Enix) in Japan veröffentlicht wurde.8 Die Xenosaga-Trilogie war eine RPG-Serie, die in Japan zwischen 2002 und 2006 veröffentlicht wurde. Sie wurde von Monolith Soft entwickelt und von Bandai Namco Games veröffentlicht.

Iwata Asks
Iwata:

Sind Sie, als Sie ihn trafen, sofort damit herausgerückt, dass Sie ein großer Fan von ihm sind? (lacht)

Yokota:

Nein. Sie können sich vielleicht vorstellen, dass ich das doch nicht gleich zugeben konnte! (lacht) Ich war unglaublich nervös. Aber ich erinnere mich, dass ich dazu kam, als endlich die Arbeiten zur Prototyp-Version begannen. Die Details standen bei Weitem noch nicht fest. Ich fand es unglaublich aufregend, dabei sein zu dürfen, als besprochen wurde, wie es weitergehen sollte.

Iwata:

Und was war Ihr erster Eindruck, Ms. Hattori?

Hattori:

Um ehrlich zu sein, hatte ich einen recht zurückhaltenden Eindruck von Mr. Takahashi, als ich ihn zum ersten Mal sah.

Iwata Asks
Iwata:

Mr. Takahashi war recht zurückhaltend, sagen Sie? (lacht)

Takahashi:

(lacht) Das lag nicht an Ms. Hattori oder an Nintendo. Ich neige tatsächlich dazu, eher zurückhaltend zu sein, wenn ich Leute zum ersten Mal treffe. Sobald ich aber merke, dass ich mit jemandem gut zusammenarbeiten kann, verändert sich meine Haltung vollkommen.

Iwata:

Dann legen Sie den Schalter von Vorsicht auf Vertrauen um. Zugegebenermaßen erinnere ich mich, wie Mr. Yamagami ganz zu Beginn sagte: „Ich weiß nicht, wie ich mit Mr. Takahashi umgehen soll.“ Zweifelsohne waren Sie da im ‘Vorsicht-Modus’. (lacht)

Takahashi:

(lacht)

Kojima:

Aber wissen Sie was, ich glaube, ich weiß auch nicht so recht, wie ich mit ihm umgehen soll.

Iwata:

Also hat selbst Mr. Kojima, der mit ihm zusammenarbeitet, den gleichen Eindruck!

Alle:

(Gelächter)