3. Keine Notenanzeige, keine Fehler

Iwata:

Ich würde gern noch mehr über die Meilensteine bei der Entwicklung von "Wii Music" erfahren. Wann haben Sie beschlossen, falsche Töne abzuschaffen - unabhängig von den Fähigkeiten des Spielers?

Totaka:

Das war kurz nachdem ich dazu gekommen war.

Iwata:

Warum haben Sie sich dazu entschieden? Musikinstrumente lernt man normalerweise, um sie irgendwann zu beherrschen. Es macht Spaß und fühlt sich gut an, Dinge zu erlernen, die man vorher nicht konnte.

Totaka:

Das sehe ich genauso.

Iwata:

Das ist die Grundidee hinter traditionellen Musikspielen. Warum haben Sie sich entschieden, Fehler auszuschließen?

Totaka:

So etwas sagen immer die Leute, die ein Musikinstrument spielen können. Ihr musikalisches Leben dreht sich darum, welche Noten man nacheinander wie spielen soll. Sie wollen wissen, wie man alle Noten richtig spielen kann, indem man einfach die Fernbedienung schwingt, und das ist auch verständlich. Aber ich denke, beides ist möglich. Sicherlich kann man Freude an Musik haben, indem man bei Null anfängt und Schritt für Schritt das Spielen lernt, aber es gibt auch andere Möglichkeiten, dasselbe Ergebnis zu erzielen.

Iwata Asks
Iwata:

Ich verstehe.

Totaka:

Ich schweife etwas ab, aber als ich mit der Arbeit an "Wii Music" begonnen habe, hatte ich vorher nicht viele konventionelle Musikspiele gespielt, deshalb habe ich einige ausprobiert. Ein Spiel hat mir viel Spaß gemacht und ich wollte versuchen, ein Lied perfekt zu spielen. Ich habe bis zur letzten Note perfekt gespielt und am Ende des Lieds noch eine zusätzliche Note angefügt. Aber mein Punktestand war nachher nicht perfekt!

Iwata:

Wegen der zusätzlichen Note?

Totaka:

Ja, anscheinend hatte ich etwas getan, was ich nicht tun sollte. Aber ist es nicht gut, wenn man eine passende Note zur Musik hinzufügt? Dann habe ich mich gefragt, ob wir ein Spiel entwerfen könnten, in dem solche eigenen Improvisationen angebracht sind, und so kamen wir auf das endgültige Spieldesign, bei dem man normale Melodien spielen kann, oder sie so improvisieren kann, wie man möchte.

Iwata:

Jetzt verstehe ich. Was haben alle anderen von diesem drastischen Konzept gehalten? Waren sie zögerlich, oder haben sie es einfach angenommen?

Totaka:

Ich weiß es nicht genau. Zu dem Zeitpunkt war ich zu beschäftigt mit meiner eigenen Arbeit, um auf etwas anderes zu achten. (lacht) Wie haben Sie alle reagiert?

Wada:

Ich hielt es für eine gute Idee, ohne Fehler spielen zu können, aber damals war ich noch etwas besorgt über die einzelnen Elemente des Spiels. Ich war mir nicht sicher, wie am Ende alles zusammenpassen sollte.

Iwata:

Aber Sie haben auch verstanden, dass es eine neue Art für die Leute wäre, Musik machen zu können?

Wada:

Ja, natürlich.

Totaka:

Tja, da ist Ihre Antwort. (lacht) Aber damals lief es noch nicht so glatt im Team. Es hat eine gewisse Zeit gedauert, bis wir uns alle eingespielt hatten und ein Spiel entwickeln konnten, bei dem es nur um die Freude an der Musik geht.

Iwata:

Es hat also etwas gedauert, bis es bei allen glatt lief?

Totaka:

Ja.

Iwata:

Sie müssen viel darüber gelernt haben, wie schwierig die Arbeit als Director ist. (lacht)

Iwata Asks
Totaka:

Jede Menge. (lacht)

Iwata:

Es ist einfach, ein Projekt von außen zu betrachten und zu überlegen, warum es nicht glatt läuft (lacht), aber wenn man direkt involviert ist...

Totaka:

Ja, das ist etwas ganz anderes. (lacht)

Iwata:

Gab es noch andere wichtige Meilensteine im Verlauf der Entwicklung?

Wada:

Ich erinnere mich an einen Moment während der zweiten Hälfte der Entwicklungsphase. Es ging wieder um die Notenanzeige. Obwohl wir die Freiheit immer gut fanden, die man hatte, wenn die Notenanzeige ausgeschaltet war, war das trotzdem nur eine Option. Standardmäßig war sie immer eingeschaltet.

Iwata:

Oh, es war also ein gutes Spielelement, dass man frei spielen konnte, aber die Notenanzeige im Spiel war trotzdem standardmäßig angeschaltet. Schließlich war es ja ein Musikspiel.

Wada:

Genau. Indem man der Anzeige folgte, konnte sogar jemand, der total unmusikalisch war, im Spiel zurechtkommen. Aber dann hätte man gedacht, dass es 'richtig' ist, sich an die Anzeigen zu halten, und nie weiter darüber nachgedacht.

Morii:

Ja, so war es.

Totaka:

Es gab auch einen Übungsmodus.

Wada:

Stimmt. Eine Zeit lang hatten wir einen Übungsmodus. Dort lernte man, wie man ein Lied spielt, indem man der Anzeige folgt. Im richtigen Spiel konnte man dann frei spielen, wie man wollte - ohne Anzeige.

Morii:

Aber das hat so lange gedauert, dass wir dieses Element wieder fallen gelassen haben.

Wada:

Am Ende hat Miyamoto-San vorgeschlagen, dass die Anzeige standardmäßig nicht angeschaltet sein sollte.

Iwata Asks
Iwata:

Oh, Miyamoto-San hat das vorgeschlagen? Er wollte, dass Sie noch weiter gehen?

Morii:

Ganz genau. (lacht) Wann war das?

Wada:

Ziemlich am Ende der Entwicklung.

Totaka:

Ich glaube, wir haben diesen Modus irgendwann im Frühjahr 2008 gestrichen.

Morii:

Es war gegen Ende der Entwicklung. Wir zeigten Miyamoto-San das Spiel und fragten ihn, was wir mit der Notenanzeige machen sollten.

Totaka:

Oh, das stimmt. Am Anfang hatten wir darüber gesprochen, die Notenanzeige wegzulassen. Wir ließen ihn das Spiel ausprobieren und fragten, ob er es ohne die Anzeige besser fand. Er bestätigte das, und so wurde uns klar, dass es ohne Notenanzeige besser wäre.

Iwata:

Sie wussten, dass es ohne Anzeige mehr Spaß machte, aber Sie haben sich gefragt, was die standardmäßige Einstellung für Leute sein sollte, die sich nicht mit Musik auskennen.

Totaka:

Richtig. Sollte sie am Anfang des Spiels an- oder ausgeschaltet sein?

Iwata:

Das muss ein ziemliches Dilemma gewesen sein. Am Anfang ist es bei einem Musikspiel sehr wichtig, ob es eine Anzeige gibt, wie man spielen soll. Es war wirklich eine grundlegende Frage, welche Standardeinstellung man übernehmen sollte.

Totaka:

Das sehe ich genauso.

Wada:

Für lange Zeit glaubte ich, dass es für Anfänger besser wäre, wenn man die Anzeige sieht, deshalb war sie standardmäßig angeschaltet.

Iwata:

Aber dann hat Miyamoto-San seine Meinung dazu geäußert.

Wada:

Ja. (lacht) Er sagte: 'Warum ist die Anzeige standardmäßig noch immer angeschaltet?!'

Iwata:

Als ob er sagen wollte: 'Habt ihr euch noch immer nicht entschieden?!'

Wada:

Ja. So sind wir dann einen riesigen Schritt weitergekommen.

Morii:

Stimmt. Wir haben uns auf die Notenanzeige verlassen, deswegen wurde immer ein normales Musikspiel daraus, egal, was wir sonst probiert haben. Miyamoto-San sagte, dass wir die Notenanzeige weglassen und uns darauf konzentrieren sollten, wie wir den Spielern vermitteln können, wie man auch ohne Anzeige Spaß am Spiel haben kann.

Iwata:

Das ist eine ziemlich schwierige Aufgabe. Sie wollten die Notenanzeige weiter ermöglichen - ist ja auch klar - aber die wichtigste Aufgabe bei der Spielentwicklung war es, das eigentliche Spiel auch ohne Anzeige interessant zu machen.

Morii:

Genau.

Iwata:

Und als Sie das geschafft hatten, wurde "Wii Music" langsam zu dem, was es heute ist?

Morii:

Ganz richtig.