2. Wie es mit „Wii Music“ anfing

Iwata:

Wie fing es mit "Wii Music" an, bevor es zu einem offiziellen Firmenpojekt wurde?

Miyamoto:

Ich lag Herrn Kondo einige Zeit in den Ohren damit, dass wir, wo wir schon ein anständiges Team zusammen hatten, ein Musikspiel, und nicht nur Spielmusik produzieren sollten. Und dies hatten wir auch zuvor schon einige Male versucht.

Iwata:

Wann war das?

Miyamoto:

Etwa zu der Zeit, als das Nintendo 64 erschien, waren bereits einige Musikspiele auf dem Markt, und wir fragten uns, ob wir nicht etwas Ähnliches machen könnten. Wir versuchten es, aber da keine konkrete Mission zu erfüllen war, wurde keiner damit beauftragt und es gab keine Fristen - es ging nicht vorwärts. Wir wussten, wir konnten irgendwas zusammenwürfeln und es jederzeit wieder verwerfen. Nachdem wir was gemacht haben, sagten wir uns, "das ist  gar nicht so schlecht", und die Sache war damit erledigt.

Iwata:

Es ist schwer, etwas fertigzustellen, wenn man es nicht wirklich muss.

Miyamoto:

Das stimmt. Nachdem die halbherzigen Versuche des Sound-Teams, ein Musikspiel zu produzieren, eine Zeit lang vor sich gingen, heftete ich mich beim Aufkommen dieses Projekts an deren Fersen, um es diesmal wirklich zu schaffen.

Iwata Asks
Iwata:

Formulierungen wie "anfeuern" und "an die Fersen heften" zeigen vermutlich, wie sehr sie dieses Projekt zum Erfolg führen wollten und wie sehr sie dafür die Mitarbeit von professionellen Musikern benötigten. Wenn ich mich richtig erinnere, gab es ganz am Anfang, als die Wii noch in der Entwicklung war, ein Demoprogramm für die Wii-Fernbedienung, das später zu dem Dirigentenspiel wurde, das Sie auf der E3 2006 vorstellten.

Miyamoto:

Das stimmt. Am Anfang ging es nur ums Dirigieren. Dann fügten wir das Schlagzeug hinzu und zeigten es auch auf der E3. Wir arbeiteten auch daran, Violinen hinzuzufügen, aber das fiel durch. Jedes Instrument stellte uns vor neue Probleme. Ich hielt es für zu kompliziert und schlug vor, einige Instrumente aufzugeben, aber alle anderen hielten stur daran fest, und bevor ich es wusste, kamen alle verschiedenen Elemente zusammen.

Iwata:

Ich verstehe.

Miyamoto:

Ich überließ die Sache also dem Sound-Team. Aber dann verzögerte sich alles und wir kamen nicht von der Stelle. (lacht)

Iwata:

Oh. (lacht) Ich nehme an, das Entwicklungsteam wird mir alles über ihre Probleme und Mühen berichten, wenn ich später mit ihnen spreche.

Iwata Asks
Miyamoto:

Davon gehe ich aus. (lacht) Grob gesagt, kam das Projekt ins Rollen, als ich Herrn Totaka als künstlerischen Leiter berief. Er hat bei vielen Spielen an der Musik gearbeitet, z. B. bei "Animal Crossing", aber ich hatte seit einiger Zeit mit Takashi Tezuka darüber gesprochen, ihn zusätzlich zur Arbeit am Sound mehr in der Rolle eines Projektkoordinators einzusetzen.

Iwata:

Herr Totaka ist sehr durchsetzungsfähig.

Miyamoto:

Ja, er erzählt sogar Leuten, die ihm nahe stehen, gerade heraus, was ihm an ihnen nicht passt. Und selbstverständlich hat er ein tiefes musikalisches Verständnis.Einmal habe ich mit ihm über Jazz-Improvisation gesprochen. Ich hatte gewusst, dass man sich gewissen Noten annähert, bei denen man enden möchte, und ohne mit der Wimper zu zucken antwortete er: "Natürlich!" Ziemlich klasse, oder? Ich hätte es wissen sollen, denn er spielt manchmal Jazz.Ich habe ein rationales Verständnis davon. Es gibt Akkorde und Tonleitern, und wenn man weiß, wo man hin will, kann man sich seinen Weg dorthin spielen. Aber ich kann dies nicht selber tun. Ein Grund dafür ist das fehlende Selbstvertrauen. Ich dachte mir: Wenn jeder frei zu einem Ziel wie diesem hin spielen könnte, hätte jeder die Möglichkeit, sehr vieles musikalisch Auszudrücken.Da ich mit Herrn Totaka diese Diskussion hatte und er auch in den gleichen Bahnen dachte, hielt ich es für großartig, wenn er dieses Spiel in dieser Weise realisieren könnte.

Iwata:

Hmm, jetzt bin ich sicher, dass sich Ihre musikalischen Erlebnisse positiv in diesem Spiel niedergeschlagen haben. Hätten Sie ein Musikinstrument erlernt, wären Sie vielleicht nie auf das Konzept von "Wii Music" gekommen, dass jeder in der Lage ist, ein Instrument zu spielen, indem er einfach die Wii-Fernbedienung bewegt.

Miyamoto:

Das ist anzunehmen. Wenn ich tatsächlich ein instrument beherrschte, würde ich dieses Spiel vielleicht für ein Sakrileg gegenüber wahrer Musik halten.

Iwata:

(lacht)

Miyamoto:

Wie dem auch sei, ich legte das Grundkonzept fest und berief einen künstlerischen Leiter. Dann überließ ich die Sache den Entwicklern. Manchmal ließ ich mir Präsentationen geben und traktierte sie mit Fragen wie: "Warum machen wir das nicht so?" oder "Warum habt ihr das rausgenommen?". Ich war so etwas wie ein Anfeuerer.

Iwata:

Ich denke, ich weiß, was Sie damit meinen. (lacht)