1. Irgendwann auch im Louvre

Iwata:

Heute unterhalte ich mich mit Mr. Miyamoto über den "Nintendo 3DS Guide: Louvre". Die Nintendo Direct-Ausgabe, die wir im Louvre-Museum1 in Paris gedreht haben, wird auch online zu sehen sein, wenn dieses Interview veröffentlicht wird; für mich fühlt sich das Ganze aber immer noch etwas merkwürdig an. Ich sage das, weil es für mich so eine interessante Reise war, Ihnen aus der ersten Reihe dabei zuzusehen, wie Sie Ihre Idee umgesetzt haben, Nintendo DS-Systeme in öffentlichen Einrichtungen2 zu platzieren; diese Idee hatten Sie ja schon lange vor der Veröffentlichung des Nintendo 3DS, und jetzt erlebe ich, dass diese Idee zur Realität geworden ist, und zwar an keinem geringeren Ort als dem wichtigsten Museum der Welt. Ich bin mir sicher, dass der Plan, den Sie damals hatten, und dieses Projekt mit dem Louvre in sehr engem Zusammenhang stehen, also würde ich bei unserem Gespräch auch gerne damit anfangen.1. Das Louvre-Museum: Ein nationales französisches Museum in Paris, das 1793 eröffnet wurde. Es ist eines der weltgrößten Museen, und außerdem auch eine der berühmtesten Sehenswürdigkeiten der Welt, in dem ungefähr 35.000 Kunstwerke aus der prähistorischen Ära bis zum mittleren 19. Jahrhundert ausgestellt werden. Nintendo ist im April 2012 eine Partnerschaft mit dem Louvre eingegangen. Als Teil dieser Partnerschaft hat Nintendo dem Louvre-Museum Nintendo 3DS-Systeme zur Verfügung gestellt, die mit einem Audio-Guide ausgestattet sind.2. Nintendo DS-Systeme in öffentlichen Einrichtungen: Dieses Projekt aus den Jahren 2009 und 2010 hatte zum Ziel, verschiedene im Alltag nützliche Dienste in öffentlichen Einrichtungen über das Nintendo DS-System anzubieten. Verschiedene Nutzungsmöglichkeiten und Dienste wurden in Museen, Kunstausstellungen, Einkaufszentren und Schulen eingesetzt, und nach dem Motto umgesetzt: "Man kann überall etwas Lustiges erleben, solange man sein Nintendo DS-System dabei hat." Später wurde in Japan eine eigene dazugehörige Software mit dem Namen "Make It Yourself Nintendo DS Guide" veröffentlicht, mit der den Benutzern ein einfaches System zur Verfügung stand, mit dem sie ihre eigenen Guides erstellten konnten.

Miyamoto:

Gerne. Zuerst möchte ich sagen, dass ich selber sehr glücklich darüber bin. Eines meiner Hobbys ist es nämlich auch, ins Museum zu gehen.

Iwata:

So ähnlich wie bei unserer gemeinsamen Arbeit an "Pikmin"3, "nintendogs"4 und Wii Fit5 konnten Sie auch diesmal eines Ihrer Hobbys zu einem Teil Ihrer Arbeit machen.3. Pikmin: Ein Action-Spiel, in dem man mit sonderbaren Wesen namens Pikmin nach Schätzen sucht. Als Mr. Miyamoto bei der Gartenarbeit Ameisen beobachtet hat, inspirierte ihn das zur Entwicklung dieses Spiels. Das erste Spiel wurde in Japan im Oktober 2001 für Nintendo GameCube veröffentlicht, und in Europa im Juni 2002. Der neueste Teil der Spielreihe - "Pikmin 3" - wurde im Juli 2013 für Wii U veröffentlicht.4. nintendogs: Ein Spiel, bei dem man an der Kommunikation mit Welpen Spaß haben kann. Es wurde im April 2005 für das Nintendo DS-System veröffentlicht. Es kam auch deshalb zur Entwicklung des Spiels, weil Mr. Miyamoto selber einen Welpen hatte. Als er später auch eine Katze bekommen hat, wurde "nintendogs + cats" im Februar 2011 gleichzeitig mit dem Nintendo 3DS-System in Japan veröffentlicht. Im März 2011 erschien das Spiel auch in Europa.5. Wii Fit: Ein Fitness-Spiel, das im Dezember 2007 veröffentlicht wurde, das man spielt, indem man auf dem Wii Balance Board-Zubehör steht. Als Mr. Miyamoto erlebt hatte, dass es schon Spaß macht, wenn man sich damit einfach nur wiegt und das eigene Gewicht misst, kam ihm die Idee zu dem Spiel. "Wii Fit Plus" wurde im Oktober 2009 veröffentlicht und stellt eine erweiterte Version von "Wii Fit" dar, die die ursprünglichen Aktivitäten aus "Wii Fit", aber auch zusätzliche Inhalte auf der Disc enthält. Die Einzelhandelsversion von "Wii Fit U" für die Wii U-Konsole soll planmäßig am 13. Dezember 2013 erscheinen. Zwischen dem 1. November 2013 und dem 31. Januar 2014 läuft eine Aktionskampagne, bei der eine herunterladbare Version von "Wii Fit U" 31 Tage lang kostenlos ausprobiert werden kann. Zum Spielen wird ein kompatibles Balance Board, wie z. B. das Wii Balance Board, benötigt.

Miyamoto:

Das war eines meiner Hobbys, von dem ich niemals gedacht hätte, dass es irgendwann in meine Arbeit integriert werden würde. Wahrscheinlich wird man mich bald fragen, was für andere Hobbys ich ansonsten noch habe.

Iwata:

Als Sie für Marketing-Zwecke in Übersee waren, habe ich Sie ja schon gebeten, sich die Zeit zu nehmen, um mal ein Museum zu besuchen. Aber ich hätte nie gedacht, dass dieser Besuch so eng mit unserer Arbeit in Verbindung stehen würde! (lacht)

Miyamoto:

Stimmt. Aber eigentlich waren die Audio-Guides, die es in den Museen gab, der Ausgangspunkt für die Idee, den Nintendo DS in öffentlichen Einrichtungen einzusetzen.

Iwata:

Mit "Audio-Guides" sind in diesem Fall Geräte gemeint, die man in Museen gegen Gebühr ausleihen kann, um Erläuterungen zu den verschiedenen Ausstellungsstücken zu hören.

Miyamoto:

Ja. Wenn ich ins Museum gehe und mir Ausstellungen anschaue, leihe ich mir immer Audio-Guides aus. Das macht die Erfahrung noch bereichernder, weil man so Details erfährt und Einblicke erhält, die man sonst nicht gehabt hätte.

Iwata Asks
Iwata:

Wenn man sich eine Ausstellung zusammen mit einem Audio-Guide anschaut, ist das ein ganz anderes Erlebnis, als wenn man sich ohne irgendwelche Hintergrundinformationen umschaut.

Miyamoto:

Das ist wirklich etwas völlig anderes. Aber die meisten Audio-Guides waren wie tragbare CD-Spieler, bei denen man Nummern eingeben musste, die bei den Ausstellungsstücken angegeben sind, um die Erläuterungen zu hören, und das ist nicht wirklich benutzerfreundlich.

Iwata:

Aber zu dieser Zeit gab es eben auch noch keine sogenannten Smart-Geräte.66. Smart-Geräte: Tragbare Informationsgeräte, wie z. B. Smart-Phones oder Tablets.

Miyamoto:

Stimmt, die gab es da noch nicht. Und als dann der Nintendo DS veröffentlicht wurde, dachte ich auf einmal: "Könnten wir das Nintendo DS-System nicht wie einen Audio-Guide nutzen? Das wäre doch viel praktischer!"

Iwata:

Gleichzeitig gab es bei Nintendo Anfragen von öffentlichen Einrichtungen wie Schulen und Krankenhäusern, die wissen wollten, ob sie den Nintendo DS bei sich einsetzen könnten.

Miyamoto:

Und ungefähr zu der Zeit, als ich anfangen wollte, mir über die Details Gedanken zu machen, hatten wir die Gelegenheit, uns mit Oriental Land7 zu treffen. Nach mehreren Gesprächen mit ihnen entschieden wir uns dazu, versuchsweise mehrere Services bei Ikspiari8, dem großen Einkaufszentrum im Tokyo Disney Resort in Maihama, einzusetzen.7. Oriental Land Co., Ltd.: Die Firma, die Tokyo Disney Land Resorts betreibt.8. Ikspiari: Ein Einkaufszentrum im Tokyo Disney Resort in Maihama, Urayasu, in Chiba.

Iwata:

Der "Ikspiari Nintendo DS Guide."99. Ikspiari Nintendo DS Guide: Ein kostenloser Service von Nintendo und Oriental Land Co., Ltd., der von April 2009 bis Januar 2010 angeboten wurde. Die Kunden, die die Software an bestimmten Orten in Ikspiari heruntergeladen hatten, konnten ihre Nintendo DS-Systeme als Führer benutzen, und auch auf weitere Funktionen, wie z. B. ein Navigationssystem, Suchfunktionen für Informationen zu Ikspiari und spezielle Spiele zugreifen.

Miyamoto:

Ja. Eines der Konzepte hinter Ikspiari war es ja, es für die Besucher zu einem unterhaltsamen Erlebnis zu machen, nach verschiedenen Geschäften zu suchen, und deshalb ist die Architektur der Anlage ja absichtlich etwas komplizierter.

Iwata:

Ich habe mir die Karte selber mal angeschaut, und sie sieht wirklich aus wie ein Dungeon in einem Videospiel! (lacht)

Iwata Asks
Miyamoto:

Also haben wir eine automatische Kartenfunktion in den Shop-Führer integriert. Wir haben an verschiedenen Stellen in Ikspiari WLAN-Zugangspunkte installiert, und auch Nintendo DS-Systeme für den Download der Software zur Verfügung gestellt, so dass die Benutzer ihren aktuellen Standpunkt in Echtzeit anzeigen lassen konnten.

Iwata:

Bei diesem System wurde der Aufenthaltsort berechnet, indem die Signalstärke10 von den verschiedenen WLAN-Antennen und Nintendo DS-Systemen erfasst wurde, nicht wahr?10. Signalstärke: Die Stärke der Funkwellen. Distanzen können eingeschätzt werden, indem die empfangene Signalstärke von WLAN-Zugangspunkten erfasst wird.

Miyamoto:

Ja. Wir haben den Service in Ikspiari nach einem knappen Jahr eingestellt, und danach verschiedene Guide-Services in Einrichtungen wie dem Osaka Aquarium Kaiyukan11, dem Shin-Enoshima Aquarium12, der Kyoto Seika-Universität13 und dem städtischen Kunstmuseum von Kyoto14 angeboten.11. Kaiyukan: Ein Aquarium in Osaka, das im Jahr 1990 eröffnet worden ist. Der Nintendo DS Guide-Service wird dort seit April 2010 angeboten.12. Shin-Enoshima Aquarium: Ein Aquarium im Shonan Kaigan Park in Fujisawa, Kanagawa. Der Nintendo DS Guide-Service wird dort seit Mai 2010 angeboten.13. Kyoto Seika-Universität: Die Absolventenausstellung der Abteilung für Visuelles Design des Grafikdesign-Instituts an der Kyoto Seika-Universität war vom 27. Januar 2010 bis zum 31. Januar 2010 im städtischen Kunstmuseum von Kyoto zu sehen. Bei der Ausstellung wurde ein Nintendo DS Audio-Guide eingesetzt.14. Städtisches Kunstmuseum von Kyoto: Eröffnet im Jahr 1988. Vom 28. April 2009 bis zum 27. Mai 2009 wurde zeitlich begrenzt ein Guide-Service über das Nintendo DS-System angeboten.

Iwata:

Das waren die Ursprungsformen dessen, was später als die herunterladbare Software "Make It Yourself: Nintendo DS Guide"15 angeboten wurde.15. Make It Yourself: Nintendo DS Guide: Eine Guide-Software, die im November 2010 in Japan als Nintendo DSiWare veröffentlicht wurde. Sie ermöglicht es den Benutzern, einen Guide-Service zu erstellen, indem sie Fotos und Audio-Clips kombinieren.

Miyamoto:

Ja, so war es. Das Basis-System ist ja nicht nur etwas für große kommerzielle Einrichtungen. Es ist einfach genug, um es auch im kleinen Rahmen einzusetzen, wie z. B. bei Schulfesten oder Flohmärkten. Das System ist so aufgebaut, dass die Veranstalter ihre Daten mit der Software vorbereiten, und die Besucher, die ihren Nintendo DS dabeihaben, auf diese Art Informationen über Ausstellungsstücke oder Produkte erhalten können. Das kann man alles einfach mit dem Nintendo DS machen, ohne einen PC als Server einzurichten. Die Benutzung ist total unkompliziert, und es macht auch heute noch viel Spaß.

Iwata:

Um es nochmal zusammenzufassen: Bei diesem Projekt ging es also darum, die Hilfsmittel zur Erstellung von Guides umzusetzen und den Leuten an die Hand zu geben.

Miyamoto:

Richtig. Und damals habe ich auch schon eines meiner großen Ziele formuliert: "Irgendwann soll es auch im Louvre eingesetzt werden."

Iwata Asks
Iwata:

Sie haben das so ausgedrückt, als ob es nur eine Träumerei wäre! (lacht)

Miyamoto:

Ich sagte: "Wenn dieses System im Louvre eingesetzt werden würde, würden alle anderen auch nachziehen." (lacht) Aber wir hatten damals noch nicht die besten Ergebnisse mit diesem System erzielt. Und als wir uns gerade fragten, wie unser nächster Schritt aussehen sollte, sind wir auf den Louvre gekommen.

Iwata:

Der Louvre kam ins Gespräch, weil Mr. Shinji Hatano16, der sich mittlerweile aus seiner Position im Vorstand zurückgezogen hat, einen Kontakt dorthin hergestellt hat.16. Shinji Hatano: Ehemaliger General Director der Nintendo Marketing Division, und Senior Managing Director. Im Moment ist er als Firmenberater für Nintendo tätig.

Miyamoto:

Genau. Ursprünglich ging es dabei gar nicht darum, dass wir das Nintendo DS-System als Audio-Guide einsetzen wollten, aber ich hatte eben meine großen Ziele! (lacht) Als unsere Gespräche anfingen, habe ich deshalb sofort vorgeschlagen, dass Nintendo einen Audio-Guide für sie anfertigen könnte.

Iwata:

Stimmt. (lacht)

Miyamoto:

Und dann haben sich die Leute vom Louvre wieder bei uns gemeldet und sagten: "Wir müssen erst noch ein paar Dinge klären, aber wenn wir das mit einem neuen System hinkriegen könnten, denken wir gerne ernsthaft darüber nach."

Iwata:

Unsere Kontaktperson war sehr interessiert an Nintendos Idee, das Nintendo 3DS-System dafür zu verwenden, das Sie zu dieser Zeit präsentiert haben.

Miyamoto:

Das stimmt. Mr. Loyrette17, der zu dieser Zeit der Museumsleiter war, hat sich stark für multimediale Anwendungen eingesetzt. Wir haben uns darauf geeinigt, das Projekt umzusetzen, und so kam es dazu, dass wir dann intensiv in das Thema eingestiegen sind.17. Henri Loyrette: Ehemaliger Leiter des Louvre-Museums. Er war von 2001 bis 2013 als Leiter des Louvre-Museums tätig.