1. Vorschlag: Nehmen Sie zwei Monitore

Iwata:

Heute höre ich mir Ihre Geschichten über die Punch-Out!!-Serie an. Das klingt jetzt vielleicht etwas komisch, wenn ich von Geschichten spreche, aber wir haben heute einige besondere Gäste eingeladen. Ich glaube, Mr. Tanabe, der die Wii-Version von Punch-Out!! gemacht hat, fühlt sich vielleicht etwas überwältigt. (lacht)

Tanabe:

Also, ein bisschen nervös bin ich schon. (lacht)

Iwata:

(lacht) "Punch-Out!!" war ursprünglich ein Arcade-Spiel. Mr. Takeda von der Integrierten Forschungs- und Entwicklungsabteilung hat das Spiel entwickelt und Mr. Miyamoto hat die Grafik dafür gezeichnet. Wir haben zwei Arcade-Spiele gemacht und Mr. Wada hat die Projekte übernommen, als die Spiele später auf das Nintendo Entertainment System und das Super NES geportet werden sollten.

Wada:

Das ist richtig. Ich bin ebenfalls etwas nervös. (lacht)

Iwata:

Zweiundzwanzig Jahre sind seit der NES-Version vergangen. Mr. Tanabe hat kürzlich mit Next Level Games Inc.1 in Kanada zusammengearbeitet, um die Wii-Version von Punch-Out!! zu entwickeln. Da wir gerade bei diesem Thema sind, möchte ich gerne mit einer Frage beginnen: Wie kam es dazu, dass die Punch-Out!!-Serie entwickelt wurde? 1 Next Level Games Inc.: Ein kanadischer Softwareentwickler, der bereits an "Super Mario Strikers" (Nintendo GameCube) und "Mario Strikers Charged" (Wii) gearbeitet hat.

Takeda:

Also gut. Hallo, ich heiße Takeda und bin der Spieldesigner.

Alle:

(lachen laut)

Miyamoto:

Sie waren der erste, nicht wahr, Mr. Takeda?

Iwata Asks
Iwata:

Der erste Spieldesigner?

Miyamoto:

Genau. Mr. Takeda hat noch vor Mr. (Gunpei) Yokoi2 an Spielen gearbeitet. 2 Mr. Gunpei Yokoi (1941-1997): Bei seiner Arbeit für Nintendo war er an der Entwicklung von Spielehardware wie Game & Watch und dem Game Boy beteiligt. Außerdem arbeitete er an Projekten wie ROB, dem NES-Roboter, und Dr. Mario.

Iwata:

Dann ist er ja Nintendos erster Spieldesigner.

Takeda:

Nun ja, wenn Sie es so haben wollen... (lacht)

Iwata:

Ich wünschte, ich könnte das geschickter ausdrücken, aber ich glaube, fast jeder hat den Eindruck, Sie wären ein Mann der Hardware. Mr. Takeda hat in der Vergangenheit an der Hardware für Heimkonsolen gearbeitet und ich glaube, viele wären überrascht, würden sie hören, dass Sie auch Software entwickelt haben. Können Sie mir verraten, wie es zu der Entscheidung kam, eine Arcade-Version von "Punch-Out!!" zu entwickeln?

Takeda:

Dafür gab es zwei wichtige Gründe. Wir haben "Punch-Out!!" 1983 entwickelt, die Geschichte fand also vor 26 Jahren statt. Vielleicht erinnern Sie sich, dass Nintendo damals eine Reihe von Arcade-Automaten entwickelt hatte, die mit Münzen betrieben wurden. Allerdings hatten wir viel zu viele Fernseher übrig, die wir als Monitore verwenden konnten.

Miyamoto:

Wollen Sie wirklich damit anfangen? (lacht)

Iwata:

(ist verwirrt)

Takeda:

Nun, wie dem auch sei, wir hatten da jede Menge Monitore übrig. (lacht) Und wir mussten irgendetwas mit ihnen anfangen.

Miyamoto:

Die Donkey Kong3-Serie hat sich gut verkauft und wir haben dafür weiter Monitore zum selben Preis eingekauft. 3 "Donkey Kong": Arcade-Spiel aus dem Jahr 1981.

Iwata Asks
Takeda:

Wir hatten keine Verwendung für diese Monitore. Sie lagen tonnenweise in der Uji-Anlage herum.

Iwata:

Sie sagen also, es gab ein Übermaß an Monitoren, die in Erwartung der Nachfrage nach Arcade-Spielen gekauft wurden?

Takeda:

Genau. Man hat uns den folgenden Vorschlag gemacht: Entwickeln Sie ein Arcade-Spiel, das zwei Monitore verwendet.

Iwata:

Zwei Monitore? (lacht)

Takeda:

Zwei Monitore würden einfach schnell Platz im Lager schaffen. Nun ja, so war's eben.

Iwata:

Aber die Idee mit den zwei Monitoren führt nicht unbedingt zu einem Boxspiel.

Takeda:

Das ist für gewöhnlich richtig, aber es gab da noch einen anderen Grund. Eine neue Art Leiterplatine (Computerchip) war verfügbar, mit dem wir an ein Objekt heranzoomen konnten.

Iwata:

Mit "heranzoomen" meinen Sie, dass man ein Objekt, das auf dem Monitor angezeigt wird, vergrößern und verkleinern kann, richtig?

Takeda:

Wenn man normalerweise bei einem Spiel Objekte vergrößert und verkleinert, handelt es sich um irgendeine Flugbewegung, wie bei einer Flugzeugsimulation. Wir haben uns aber für Boxen als Thema entschieden, weil wir der Meinung waren, dass dieses Feature auch anders eingesetzt werden kann.

Iwata Asks
Iwata:

Und dennoch, egal wie sehr ich mich anstrenge, tue ich mich schwer mir vorzustellen, was Vergrößern und Verkleinern von Objekten mit einem Boxspiel zu tun haben könnte. (lacht)

Takeda:

Ich muss zugeben, beide passen auf den ersten Blick nicht zusammen.

Iwata:

(lacht)

Miyamoto:

Es ist eine lange Geschichte; soll ich sie wirklich erzählen?

Iwata:

Nur zu.

Miyamoto:

Mr. Takeda hat vor langer Zeit ein Arcade-Spiel namens "EVR Race"4 entwickelt. 4 EVR Race": Ein Spiel aus dem Jahr 1975. Es war ein Pferderennen-Spiel, bei dem der Spieler vorhersagen musste, welches Pferd gewinnt.

Iwata Asks
Takeda:

Das Pferderennen-Spiel erschien irgendwann 1975. Als es entwickelt wurde, war Mr. Miyamoto...

Miyamoto:

...Noch ein Student. (lacht) "EVR Race" war das erste Videospiel, das Nintendo veröffentlicht hat.

Iwata:

Deshalb ist Mr. Takeda Nintendos erster Spieldesigner.

Miyamoto:

Genau. "EVR Race" war ein Videospiel, bei dem eine Videokassette zum Einsatz kam. Es war ein sogenanntes mechanisches Spiel, daher war seine Wartung, nachdem Nintendo es veröffentlichte, sehr aufwändig.

Iwata:

Die mechanische Konstruktion sorgte für viele Pannen.

Miyamoto:

Genau. Als wir also an "Punch-Out!!" arbeiteten, sagten die Leute, Laserdisc-Spiele5 wären das nächste große Ding. Wir wussten allerdings, dass die Wartung sehr schwierig geworden wäre, hätten wir Laserdisc-Spiele weltweit verkauft. 5 Laserdisc-Spiele: Ein Name für Videospiele, die eine Laserdisc als Datenträger verwendeten, um Videos darzustellen. Sie werden auch als LD-Spiele bezeichnet.

Iwata:

In anderen Worten: Wir haben aus unserer Erfahrung mit "EVR Race" gelernt, dass sich die Wartung schwierig gestalten kann.

Miyamoto:

Richtig. Die Leute vom heimischen Vertrieb wollten aber etwas Ähnliches wie Laserdiscs, so dass wir überprüften, ob es auch mit Halbleitern ginge. Deshalb waren wir auch an einer Leiterplatine interessiert, die das Zoomen beherrschte und Bilder in einer ähnlichen Größe wie eine Laserdisc darstellen konnte. Wenn Sie mich aber fragen, es war ein teuflisches Projekt. (lacht)

Iwata:

Teuflisch, warum? (lacht)

Miyamoto:

Wir haben da gerade "Donkey Kong" herausgebracht. Um ein Bild wie etwa ein rollendes Fass darzustellen, musste ich beispielsweise eine Pixelzeichnung jedes einzelnen Frames zeichnen.

Iwata:

Alles wurde von Hand gemacht.

Miyamoto:

Daher hat es auch viel Zeit und Arbeit gekostet. Als ich fragte, ob wir die Bildverarbeitung hardwareseitig lösen könnten, um Bilder zu drehen, sagte man, "Es ist nicht unmöglich". Damals änderte sich der Ton von, "Das können wir nicht machen." zu "Es ist nicht unmöglich". Zur damaligen Zeit wurden viele neue Dinge geschaffen, doch viele von ihnen waren noch nicht von Nutzen.

Iwata Asks
Iwata:

Alles war noch unausgereift.

Miyamoto:

Man sagte uns, wir könnten Objekte zwar größer darstellen, aber wir könnten sie dennoch nicht drehen. Ansonsten könnten wir sie drehen, aber ihre Größe durfte nicht verändert werden. Außerdem meinte man, selbst wenn wir sie vergrößern würden, dürfte nur ein Objekt gleichzeitig angezeigt werden. "Wir können also nur ein Fass rollen lassen?", fragte ich. (lacht)

Iwata:

(lacht) Mit einem Fass kommt man bei "Donkey Kong" nicht weit.

Miyamoto:

Wir wollten dann diese Leiterplatine hernehmen. Dann war ja noch der Vorschlag mit den zwei Monitoren. Also wollten wir sie nebeneinander montieren und ein riesiges Rennspiel machen. Aber es war nicht leistungsfähig genug, um das Gewünschte darzustellen, weil nur ein Bild vergrößert werden konnte.

Iwata:

(lacht)

Miyamoto:

Dann sagte Mr. Takeda, "Wenn wir nur ein Bild hernehmen können, wie wäre es mit einer Person?" So kam es auch zum Thema Boxen, schließlich hat man da nur einen Gegner. Aber für ein Boxspiel würde ein Monitor eigentlich reichen, nicht wahr?

Iwata:

Man braucht nicht wirklich zwei Monitore dafür. (lacht)

Miyamoto:

Wir wussten dadurch eine Weile lang nicht mehr weiter. Doch dann überlegten wir, dass in einer Boxarena doch große Scheinwerfer und Banner hängen, auf denen steht "Weltmeisterschaft im Schwergewicht" und so weiter. Außerdem sollte das Spiel einige Anzeigen enthalten und wir dachten, vielleicht wären zwei Bildschirme, vertikal übereinander angeordnet, tatsächlich unterhaltsamer. Wir hatten ein gutes Gefühl dabei und so fiel dann die Entscheidung für zwei Bildschirme.

Iwata Asks
Takeda:

Nach der Veröffentlichung von Game & Watch war es ein weiteres Spiel, bei dem zwei Bildschirme zum Einsatz kamen.

Iwata:

Nintendo denkt schon seit 25 Jahren darüber nach, zwei Bildschirme einzusetzen, finden Sie nicht auch? (lacht)