1. ''Stimmt was nicht mit diesem Projekt?''

 

Hinweis: Am 01.11.2013 wurde die SpotPass-Funktionalität von "Nintendo-Briefkasten" eingestellt. Weitere Informationen liefert die Mitteilung über den SpotPass-Service von Nintendo-Briefkasten.

Redaktioneller Hinweis:
In diesem Interview werden Videos aus der japanischen Version des Spiels gezeigt. In Deutschland wird das Spiel auf Deutsch erhältlich sein.

Iwata:

Heute möchte ich mich über die Anwendungssoftware „Nintendo-Briefkasten“ unterhalten, die im Nintendo eShop erhältlich ist. Stellen Sie sich doch bitte alle zunächst einmal vor und erzählen Sie, wofür Sie dabei verantwortlich waren.

Takenouchi:

Ich bin Takenouchi von Denyu-sha1. Ich habe die Programmierung für „Nintendo-Briefkasten“ zusammengeführt und zudem an der Programmierung für die SpotPass2-Funktion gearbeitet. 1 Denyu-sha Co., Ltd.: Ein Entwicklerstudio in Kyoto. Denyu-sha hat Software für das tragbare Spielsystem Pokémon Mini entwickelt und war an der Entwicklung der Nintendo Zone und des Demae-Kanals (verfügbar in Japan) beteiligt. Es hat nicht nur „Nintendo-Briefkasten“, sondern auch die Spielnotizen-Funktion für das Nintendo 3DS-System entwickelt. Das Unternehmen wurde 2002 gegründet.2 SpotPass: Eine Funktion des Nintendo 3DS-Systems, die im aktivierten Zustand diverse Informationen und Inhalte empfängt, wenn das System sich in der Nähe eines WLAN-Zugangspunkts befindet.

Iwata Asks
Kondo:

Mein Name ist Kondo, ich gehöre ebenfalls zu Denyu-sha. Ich war verantwortlich für das Design, vor allem im Hinblick auf die Benutzeroberfläche.

Iwata Asks
Imai:

Mein Name ist Imai, ich arbeite im Network Business Department von Nintendo. Ich habe als Direktor fungiert.

Iwata Asks
Kitai:

Ich bin Kitai, ebenfalls aus dem Network Business Department. Ich war zuständig für das Papierdesign. Ich kam erst zum Ende der Entwicklung dazu.

Iwata Asks
Iwata:

Ms. Kitai, wann sind Sie in das Network Business Department gewechselt?

Kitai:

Vor ca. sechs Monaten.

Iwata:

Ein Teil des Projekts wurde zum Ende hin, als Ms. Kitai dazukam, noch geändert, nicht wahr?

Imai:

Ja, stimmt.

Iwata:

Dazu kommen wir später noch. Mr. Imai, können Sie mir etwas über den Weg erzählen, den die Software genommen hat?

Imai:

Natürlich. Das Projekt nahm seinen Anfang, kurz nachdem das Nintendo DSi3-System im November 2008 (in Japan) auf den Markt kam. Wir fanden, dass nicht gerade viel herunterladbare Software für das System verfügbar war. 3 Nintendo DSi: Eine Handheld-Konsole aus der Nintendo DS-Serie, die im November 2008 in Japan und im April 2009 in Europa auf den Markt kam. Sie umfasst zahlreiche Funktionen, z. B. Nintendo DSi-Kamera und Nintendo DSi Sound. Das System kann über das Internet mit dem Nintendo DSi Shop verbunden werden, in dem Benutzer herunterladbare Software erwerben können.

Iwata:

Unsere Leser finden es vielleicht etwas seltsam, dass eine Diskussion über fehlende Software für Nintendo DSi zu dieser Software für Nintendo 3DS geführt hat. (lacht)

Imai:

Ja, wahrscheinlich. (lacht) Wir diskutierten, ob wir in unserer Abteilung irgendetwas tun könnten, und dabei kam auch die Idee zu einem Bildertagebuch zur Sprache. So etwas wäre perfekt als herunterladbare Software, also hob ich die Hand und sagte, dass ich das machen würde. Und so nahm dieses Projekt seinen Anfang.

Iwata:

Warum haben Sie sich freiwillig gemeldet?

Imai:

Bevor die Idee eines Bildertagebuchs aufkam, hatte ich darüber nachgedacht, die Entwicklung eines Kindes aufzuzeichnen – so etwas wie in einem Mutter-Kind-Pass. Das wäre doch toll gewesen – den hätte man dem Kind dann später geben können. Sie, Mr. Iwata, sprachen damals immer von „meinem DS“. Klar, wenn man wirklich mit dem Herzen bei der Sache ist und seine Gefühle in etwas investiert, dann wird diese Sache zu etwas eigenem – zu „meiner“ Sache eben. Als wir dann die Idee für das Bildertagebuch hatten, erinnerte ich mich daran, dass meine ältere Schwester seit zehn Jahren, seit der Geburt ihres Kindes, Tagebuch führte. Sie tat genau das, was ich ursprünglich mit meinem Mutter-Kind-Pass geplant hatte. Und mit Touchpen und Bildertagebuch ging das wunderbar.

Iwata:

Heutzutage, wo jeder einen Computer und ein Handy hat, gehört das Tippen ja eigentlich zum Alltag. Warum haben Sie sich also für ein handschriftliches Bildertagebuch entschieden?

Imai:

Ich finde mit schriftlichen E-Mails kann man seine Gefühle nicht so richtig rüberbringen. Ich glaube, die meisten Leute würden mir da zustimmen.

Iwata:

Es gibt Piktogramme und Emoticons, aber seine Gefühle im Text auszudrücken, ist tatsächlich trotzdem oft schwierig. Ich habe schon oft von Leuten gehört, dass man per E-Mail leicht in einen Streit gerät.

Iwata Asks
Imai:

Genau. Vor langer Zeit hat ein Freund von mir sich in einer SMS mal nicht richtig ausgedrückt. Es gab dann einen Riesenkrach und am Ende warf er das Ding einfach in einen See! (lacht) Er ist allerdings später hineingewatet, um es wieder rauszuholen.

Alle:

(lachen)

Imai:

Es ist wirklich unglaublich schwierig, seine Gefühle nur durch Text auszudrücken. Aber in der Handschrift drückt sich auch die Persönlichkeit des Schreibers aus, sie besitzt eine gewisse Wärme. Ganz zu Anfang der Entwicklung des Nintendo DSi-Systems gab es übrigens Überlegungen, etwas ganz Einfaches zu entwerfen, mit dem man einfach nur ein eigenes Bildertagebuch führen könnte.

Iwata:

Also kein „Tausch-Tagebuch“, das man an andere weitergeben und mit diesen austauschen kann.

Imai:

Genau. Wir wollten innerhalb von drei Monaten fertig werden.

Iwata:

Und dann wurden aus den drei Monaten drei Jahre.

Imai:

Ja. (lacht) Als wir mit der Entwicklung begannen, wollten wir selber ein Bildertagebuch führen, um mal zu sehen, wie das so wäre.

Iwata:

Auf Papier?

Imai:

Ja. Ein echtes Bildertagebuch auf Papier. Aber der Einzige aus dem Entwicklerteam, der ein tägliches Tagebuch führte, war Mr. Kondo von Denyu-sha.

Kondo:

Stimmt. (lacht)

Imai:

Also begannen wir alle, Bildertagebücher zu führen; aber nach einem Monat, als ich alle danach fragte, stellte sich heraus, dass nur Mr. Takenouchi und ich das tatsächlich durchgezogen hatten.

Takenouchi:

Ja, stimmt! (lacht)

Imai:

Also fragten wir uns, ob vielleicht irgendetwas mit diesem Projekt nicht stimmte. Die Frage, warum alle aufgegeben hatten, wurde zu einem Riesending.

Iwata:

Sie haben sich also gefragt, wie Sie die Leute bei der Stange halten könnten.

Imai:

Genau.

Iwata:

Mr. Takenouchi, als Sie zum ersten Mal von der Idee eines Bildertagebuchs hörten, was haben Sie da gedacht? Nach allem, was ich gerade gehört habe, könnte ich mir gut vorstellen, dass Sie sich fragten, ob es überhaupt einen Markt für so etwas gäbe.

Takenouchi:

Stimmt. Um ehrlich zu sein, fragte ich mich am Anfang, was das mit der Handschrift sollte. Schließlich ist das Tippen in diesem digitalen Zeitalter ja gang und gäbe.

Iwata:

Sag ich doch! (lacht)

Alle:

(lachen)

Takenouchi:

Aber wie schon gesagt, nachdem ich dann erst einmal begann, Tagebuch zu führen, war ich sehr überrascht, dass es mir keine Probleme machte, auch dabeizubleiben.

Iwata:

Sie haben festgestellt, dass Tagebuchführen Spaß machen kann?

Takenouchi:

Ja. Ich habe dabei alle möglichen Entdeckungen gemacht. Zum Beispiel bemerkte ich, wie unwahrscheinlich abhängig ich von Computern oder der Konversationsfunktion meines Handys war. Ich musste feststellen, dass ich überhaupt nicht mehr in der Lage war, Kanji-Zeichen zu schreiben! Und manche Dinge kann man einfach nicht tippen – z. B. kleine Illustrationen oder Bildchen oder eine Betonung durch große Buchstaben. Aber mit der Hand ist das problemlos möglich. Man kann wirklich seine Erinnerungen aufzeichnen und das hat mir Riesenspaß gemacht.

Iwata Asks
Iwata:

Und das hat Sie bei der Stange gehalten?

Takenouchi:

Genau.

Iwata:

Mr. Kondo, Sie führen schon seit langem Tagebuch, nicht wahr?

Kondo:

Ja. Als ich von dieser Idee hörte, hatte ich schon seit ca. sechs Jahren Tagebuch geführt. Ich dachte also gleich, dass das die perfekte Aufgabe für mich wäre! (lacht)

Iwata:

Was ist denn das Schöne am Tagebuchführen?

Kondo:

Mir gefällt, wie das Geschriebene so schnell anwächst. Und wenn ich alte Einträge noch einmal lese, stelle ich etwa fest: „Ach, das habe ich damals gedacht!“ Ich wusste also, was die schönen Aspekte eines Tagebuchs waren, aber mir war nicht so ganz klar, wie ich das anderen vermitteln sollte und wie ich sie zum Tagebuchführen ermutigen könnte. Nur zwei Mitgliedern des Entwicklerteams war es gelungen, dabeizubleiben, also dachte ich, dass wir für unser Bildertagebuch noch irgendeinen Kick brauchten, der die Leute bei der Stange hält.